Ethernet im Umfeld von Industrial Internet of Things Single Pair Ethernet wird zum neuen Standard für das IIoT
Single Pair Ethernet – oder kurz SPE – ist zur Zeit einer der Megatrends der industriellen Datenübertragung. Wer die Anwendungen und Vorteile der auf ein einziges Adernpaar reduzierten Datenverkabelung verstehen will, kommt an der Geschichte des Ethernet und der industriellen Automatisierung nicht vorbei.
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Als nicht standardisiertes Softwareprotokoll ist das Ethernet in den 1970er-Jahren zur firmeninternen und lokal begrenzten Übertragung von Datenpaketen in kabelgebundenen Computernetzen (LAN, Local Area Network) entwickelt worden.
Das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) spezifizierte das Softwareprotokoll sowie den Physical Layer – darunter die physischen Schnittstellen wie Steckverbinder und Kabel – in den folgenden beiden Jahrzehnten und legte mit der Einführung unterschiedlicher Protokolle wie 802.4 (Token Bus), 802.5 (Token Ring) und schließlich 802.11 (WLAN) den Grundstein für das heutige Internet.
Parallel dazu entwickelte sich – getrieben durch den verstärkten Einsatz elektrischer Automatisierungstechnik – in den 1980er-Jahren die Feldbustechnik. Der Grundgedanke war der gleiche: Unterschiedliche Kommunikationsteilnehmer sollten geordnet und in einer gemeinsamen Systematik miteinander kommunizieren.
Die verschiedenen Feldbusprotokolle wie Interbus, Devicenet oder Profibus dienten aber nicht zur Vernetzung von Computern der Unternehmensebene, sondern zur seriellen oder parallelen Anbindung von Sensoren und Aktoren an die Steuerungs- und Leitebene.
Eine gemeinsame Sprache wurde entwickelt
Letztlich begründete so die parallele Entwicklung der beiden Übertragungsprotokolle die Form der noch heute gültigen Automatisierungspyramide. Die obersten Ebenen repräsentieren lokal begrenzte Computernetze, über die die Produktionsgrob- und -feinplanung erfolgt. Die unteren Ebenen umfassen die Signal-, Daten- und Leistungsübertragung zum Erfassen, Steuern und Regeln des realen Produktionsprozesses (Bild 1).
Die Form der Pyramide ergab sich primär aus der hierarchisch-logischen Anordnung der unterschiedlichen Ebenen. Sie repräsentiert aber ebenso die bisher gültigen Rahmenbedingungen für die industrielle Datenübertragung: hohe Übertragungsraten und geringe Strecken mittels Ethernet, geringe Übertragungsraten und hohe Strecken mittels Feldbus.
Warum nun dieser Exkurs? Das industrielle Ethernet und vor allem das Single Pair Ethernet stellen diese Automatisierungspyramide auf den Kopf. Mit der Entwicklung Ethernet-basierter Protokolle wie Ethernet/IP, Profinet oder Ethercat zog die Echtzeit-Datenübertragung von der Unternehmens- in die Feldebene ein.
Automatisierungspyramide auf den Kopf gestellt
Die physischen Schnittstellen wurden leistungsfähiger, aber auch elektrotechnisch komplexer, weil die Datenübertragung vor Störeinflüssen wie Schmutz, Vibration und elektromagnetischer Strahlung geschützt werden musste. Hersteller von Verbindungstechnik entwickelten deshalb IP6x-geschützte Ethernet-Schnittstellen, um diese gesteigerten Anforderungen der Feldebene zu erfüllen. Für die Spitze der Automatisierungspyramide – die Unternehmens- und Betriebsebene – reichten IP20-Lösungen weiterhin aus.
Anforderungen stiegen beständig
Bislang beschränkten sich die Standardisierungsbemühungen auf stets höhere Datenraten und höhere Anforderungen an die Verkabelungstechnik. Diese Anforderungen wurden durch immer höhere Leistungsklassen in der kupferbasierten Verkabelung – den Categories – festgeschrieben.
Das SPE definiert nicht erneut höhere Bandbreiten oder Übertragungsstrecken, sondern bildet den normativen Rahmen für eine anwendungsgerecht reduzierte Verkabelung. Mit den Standards IEC 63171-2 (IP20) und IEC 63171-5 (IP67) rücken geringere Übertragungsraten von 10 bis 100 MBit/s in den Fokus. Die Datenverkabelung mit nur einem Adernpaar ermöglicht dennoch Übertragungsstrecken von bis zu 1000 m. Damit ermöglicht SPE erstmals Einsatzgebiete und Anwendungen, die das konventionelle Ethernet bis dato nicht zuließ, wie etwa in der Prozesstechnik (Bild 2). Der Vorteil für Anlagenbetreiber: Die Datenverkabelung kann auf Basis des Ethernet-Protokolls durchgängig erfolgen, baugleiche Schnittstellen und Steckgesichter können also in unterschiedlichen Umgebungen verwendet werden.
Vorteilhaft ist auch, dass einpaarige Schnittstellen deutlich kompakter sind als zwei- oder vierpaarige Geräte- und Kabelsteckverbinder. Damit unterstützt SPE den anhaltenden Trend zu kompakten, dezentralen Geräten in der industriellen Automatisierung, der Prozesstechnik, der Gebäudeautomation sowie in Telekommunikations- und Infrastrukturanwendungen. SPE kann also anwendungsneutral zur DNA des Industrial Internet of Things (IIoT) werden.
Neues Steckgesicht, bekannte Zuverlässigkeit
Für eine durchgängige Kompatibilität aller Schnittstellen hat das IEEE Arbeitsgruppen zur normativen Beschreibung unterschiedlicher Anwendungen mit Übertragungsraten von 10, 100 und 1000 Mbit/s gebildet. Für 100-Base-T1 und 1000-Base-T1 wurden entsprechende Standards verabschiedet, 10-Base-T1-Standards sollten folgen.
treibt die Normierung der entsprechenden Schnittstellen maßgeblich voran. Gemeinsam mit anderen Unternehmen – Weidmüller, Reichle & De-Massari, Belden, Fluke Networks und Telegärtner – entwickelt der Anschlusstechnikspezialist geschützte und ungeschützte Steckgesichter für ein- und vierpaarige Leitungen. Das Mice-Modell beschreibt deren mechanische Robustheit (M1 beziehungsweise M2/3), IP-Schutz (I1 beziehungsweise I2/3), chemische und klimatische Resistenz (C1 beziehungsweise C2/3) sowie die elektromagnetische Sicherheit (E1 beziehungsweise E2/3) (Bild 3).
Die kompakten Steckgesichter eignen sich zur effizienten Verkabelung zahlreicher Kommunikationsteilnehmer – entweder über ein einzelnes Adernpaar oder über vier Adernpaare für vier Teilnehmer, die sich eine gemeinsame Leitung und Schnittstelle teilen. Dank der gemeinsamen Schnittstelle können ein- und vierpaarige Verkabelungskonzepte ebenso untereinander gemischt werden wie IP20- und IP6x-Lösungen. Mögliche Anwendungen sind das Aufsplitten achtadriger Verkabelungskonzepte in vier SPE-Stränge für vier unterschiedliche Kommunikationsteilnehmer oder das Bemessen einzelner Paare innerhalb der achtadrigen Geräteschnittstellen. Die Zweidrahttechnik erlaubt zudem die anwendungsgerechte Versorgung der Endgeräte mit Leistungen bis zu 60 W über das gleiche Adernpaar (Power over Data Line, PoDL).
Kommunikationsstandards sind verbessert worden
Als ein Megatrend der industriellen Datenübertragung kann SPE aber nicht unabhängig von anderen Standardisierungsbemühungen gesehen werden. Das Grundgerüst für die Zukunft der industriellen Kommunikationstechnik entsteht parallel in unterschiedlichen Gremien und Projekten. Kommunikationsstandards wie Open Platform Communications Unified Architecture (OPC UA), Time-Sensitive Networking (TSN) oder 5G sind die Basis für die durchgängige Vernetzung vom Sensor über die Maschine und übergeordnete Systeme in die Cloud.
Diese Standards werden bisherigen Protokollen und Schnittstellen in Bezug auf Kosten, Datendurchsatz, Latenz und Deterministik überlegen sein. Als Technikführer mit mehr als 30 Jahren Erfahrung in der industriellen Kommunikation engagiert sich Phoenix Contact daher in allen relevanten Standardisierungsgremien. Das Ziel: nicht weniger als ein neuer, herstellerübergreifender Kommunikationsstandard für die Automatisierung.
OPC UA als überlagerter Kommunikationsstandard
OPC UA dient heute bereits als überlagerter Kommunikationsstandard in Anlagen. Nun wird OPC UA um standardisierte Anwendungsprofile im Feld erweitert – beispielsweise für I/O-, Sicherheits- oder Antriebsanwendungen. Darüber hinaus werden standardisierte Gerätemodelle für eine einheitliche Konfiguration und eine einheitliche Diagnose der Geräte im Datennetz definiert (Bild 4).
Über die Autorin
Dipl.-Wirt.-Ing. Verena Neuhaus ist Manager Product Marketing Data Connectors bei der Phoenix Contact GmbH & Co. KG in 32825 Blomberg.
Dieser Beitrag stammt von unserem Schwesterportal MM Maschinenmarkt.
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