Was bringt das eigene Netz? 5G-Campusvernetzung unter der Lupe
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Leistungsstarke Konnektivität ist unabdingbar für die Industrie 4.0 und die Automatisierung von Betriebs- und Produktionsabläufen. 5G-Campusnetze können hier einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung von Smart Factories liefern. Doch wo genau liegen die Chancen und Herausforderungen dieser Schlüsseltechnologie.

Eine stärkere, zukunftsfähige Vernetzung ist das Thema der Stunde in vielen Entscheider-Gremien. Rund 26 Prozent der deutschen Industrieunternehmen wollen ein so genanntes 5G-Campusnetz installieren oder haben dies bereits getan, so eine Umfrage des Bitkom. Doch auch der viel beschworene deutsche Mittelstand kann durch die Technik deutlich profitieren. Dies zeigt ein Papier des Bundeswirtschaftsministeriums: Hier geht man davon aus, dass die Mehrzahl der rund 10.000 erwarteten 5G-Netze bis 2025 in kleinen und mittelständigen Unternehmen zu finden sein werden. Gründe dafür gibt es viele: Private 5G-Netze sollen den Weg ebnen für die Industrie 4.0, für Automatisierung und die digitale Transformation von Unternehmen. Sie sollen betriebswirtschaftliche Effizienz, Kosteneinsparungen, Sicherheit in der Produktion und IoT-Anwendungen fördern.
Branchen mit in der Regel großflächigen Produktionsanlagen, etwa die Chemiebranche, stellen bereits im großen Stil auf eigene Netzwerke um – zum Beispiel der Chemie-Riese Dow, der zusammen mit Kyndryl und Nokia sehr effizient große Werke auf private Netze umgerüstet hat. In Deutschland ist es vor allem die Automobilindustrie – egal ob OEM oder Zulieferer – die besonders durch die Vorteile der neuen Technologie profitieren wird. Auch wenn der gegenwärtige Hauptfokus auf den Ausbau der Elektromobilität die Zahl der umgesetzten privaten Netzwerke noch beschränkt. Der Markt für 5G-Netze befindet sich (noch) in der Startphase – die diversen Vorteile für Unternehmen werden aber dafür sorgen, dass Umsetzungszahlen in den kommenden Jahren sehr stark ansteigen werden.
Die Konnektivität ist dabei aber nur der Anfang, denn sobald Daten im Netzwerk erfasst sind, können andere Komponenten hinzugefügt werden: Künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen und diverse Tools helfen beispielsweise, Daten aus dem Netzwerk zu nutzen und Unternehmen dafür zu befähigen, Entscheidungen in Echtzeit zu treffen. Das Potenzial ist enorm, allerdings auch die Herausforderungen. Daher sollten sich Unternehmen, die über die Nutzung eines Campusnetzes nachdenken, zunächst gründlich mit der Thematik auseinandersetzen. Und das betrifft nicht nur industrielle Großkonzerne!
Was ist überhaupt ein privates Netz?
Am besten lassen sich private oder Campusnetze in Abgrenzung von öffentlichen Netzen definieren, d.h. sie werden nicht für Verbraucher und den Mobilfunk genutzt, sondern stehen dem Betreiber exklusiv zur Verfügung. Die Abgrenzung erfolgt über das genutzte Frequenzband. Die großen deutschen Mobilfunkanbieter haben ihr jeweils eigenes 5G-Spektrum im Bereich zwischen 3.400 und 3.700 MHz. Genau darüber, im Bereich von 3.700 bis 3.800 MHz, stellt die Bundesnetzagentur so genannte lokale Frequenzen bereit, die für die Campusnetze reserviert sind und auf Antrag vergeben werden. Sie stellen spezielle sichere Dienste für Privatunternehmen wie Produktionsbetriebe, große Fabrikgelände bis hin zu Häfen und Flughäfen bereit.
Die Architekturmodelle können von vollständig privaten Netzen (alle Netzelemente sind Eigentum des Unternehmens und werden von diesem betrieben) bis hin zu einem hybriden Ansatz reichen, bei dem Managed Service Providern oder öffentlichen Betreibern Zugang zu Netzinfrastrukturen und/oder Frequenzen gewährt wird. Das erfreuliche: In Deutschland wird es Unternehmen einfach gemacht, eine Zuweisung von Frequenzen zu erhalten. Um das Vergabeverfahren bei der Bundesnetzagentur einzuleiten, müssen entsprechende Anträge (B40 für LTE oder n78 für 5G) eingereicht werden. Das Verfahren dauert rund einen Monat bis zur Genehmigung. Außerdem werden auch Frequenzen im 26 GHz-Band vergeben, deren Nutzung zwar lokal – anders als bei den expliziten Campus-Frequenzen – aber nicht auf ein Grundstücksnutzungsrecht und innerbetriebliche Zwecke beschränkt ist.
Vorteile von 5G-Campusnetzen
Drahtloskonnektivität lässt sich auch mit WLAN realisieren, jedoch ist die Technologie – vor allem in industriellen Umgebungen – gewissen Einschränkungen unterworfen. Blinde Flecken, oder Blind Spots, werden hier schnell zum Problem. Es gibt Punkte, an denen das Signal zu schwach oder instabil ist, um eine Verbindung aufrechtzuerhalten. 5G ermöglicht eine bessere Abdeckung, vor allem auch im Außenbereich und verfügt im Vergleich zu WLAN über geringere Latenzzeiten.
Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund von Industrie 4.0 auch immer mehr bewegliche Objekte vernetzt werden sollen. Selbstfahrende Fahrzeuge oder Roboter, die sich autonom über ein Werksgelände bewegen, dürfen nie die Konnektivität verlieren. Bei schnellen Bewegungen der vernetzten Objekte ist 5G-Konnektivität der WLAN-Alternative eindeutig überlegen. Das allein ist allerdings nicht das einzige Argument für ein Campusnetz, denn diese Vorteile kommen auch in öffentlichen Netzen zum Tragen.
Ein großer Bonus der privaten Netze, der über die allgemeinen Vorteile der 5G-Technolgie hinausgeht, ist die Möglichkeit der SIM-basierten Authentifizierung. Dafür teilt die Bundesnetzagentur Nummernblöcke der International Mobile Subscriber Identity, kurz IMSI, zu. Seit letztem Jahr vergibt sie 10.000er Teilblöcke des IMSI-Blockes „262 98“ durch ein Antragsverfahren. Durch die SIM wird jedem Gerät im Netzwerk eine einmalige und eindeutige Identität zugewiesen. Dadurch wird nicht nur die Zugangskontrolle verbessert, es erleichtert auch die Zuweisung von Sicherheitsrollen durch Geräte. So können Unternehmen ihre Systeme besser überwachen und lückenlos absichern.
Netze nicht isoliert betrachten
Campusnetze werden manchmal auch als 5G-Inseln bezeichnet, doch dieser Begriff ist etwas irreführend. Denn die privaten Netzwerke sollten keinesfalls isoliert betrachtet werden. Sie müssen mit anderen Netzwerken interagieren und mit weiteren Technologien integriert werden. Nur so können sie ihren Wert ausspielen.
Gewachsene Infrastrukturen wie LAN- und WLAN-Netzwerke werden trotz 5G nicht von heute auf morgen verschwinden. Mit Wi-Fi 6 gibt es auf diesem Gebiet ebenfalls einen Innovationsschub. Die Entwicklung wird also mehr und mehr hin zu hybriden Lösungen gehen. Es bedarf transformativer, Cloud-basierter, multi-Tennant Netzwerkarchitekturen, die alle Client-Legacy-Umgebungen mit mehreren Clouds End-to-End verbinden und eine reibungslose und sichere Transformation ermöglichen.
Neben der Anbindung an Legacy- und Cloud-Netzwerke spielt auch die Integration mit anderen Technologien eine wichtige Rolle, um das gesamte Potenzial von privaten 5G-Netzen auszunutzen. Besonders Edge Computing ist hier zu nennen. Trotz der enormen neuen Möglichkeiten der Datenübertragung sollte es natürlich auch in 5G-Umgebungen vermieden werden, mehr Daten als notwendig zu übertragen.
Ein Beispiel: In einer vernetzten, automatisierten Produktionsumgebungen erzeugen Maschinen und Anlagen sowie autonome Fahrzeuge, die den Transport von Rohstoffen und Erzeugnissen zwischen ihnen übernehmen, durch unzählige Sensoren enorme Datenmengen. Viele dieser Informationen sind jedoch nur für kurze Zeit und unmittelbar vor Ort relevant, etwa wenn es um die Koordination der Fahrzeuge untereinander und mit den Maschinen geht. Entsprechende Sensordaten zunächst auf weiten Wegen in eine Zentrale zu übertragen, wäre einerseits unnötig. Andererseits ist dieser Ansatz sogar kontraproduktiv, da dadurch höhere Latenzen entstehen. Auch Daten können sich schließlich nicht schneller als das Licht bewegen, an diesem Faktum wird auch 5G und keine andere Technologie etwas ändern. Somit bleibt der einzige Weg, um minimale Latenzen zu erzielen, die Datenverarbeitung möglichst nahe an die Anwendungen heranzubringen. In diesem Beispiel würden also alle Sensordaten, die für die Koordination der autonomen Fahrzeuge untereinander und mit den vernetzten Maschinen notwendig sind, vor Ort, am Edge verarbeitet werden. Lediglich Daten, die eine übergeordnete Bedeutung haben und langfristig relevant sind, würden auf höhere Ebenen des gesamten Netzwerks übertragen werden.
Allianzen verschiedener Anbieter
Hinter der Implementierung und Integration eines privaten 5G-Netzwerkes in vorhandene Infrastrukturen steckt eine erhebliche Komplexität. Natürlich müssen Unternehmen entsprechend planen und sich vorbereiten – das liegt auf der Hand. Auf der anderen Seite sollten allerdings auch Technologieanbieter, sowohl auf der Hard- als auch auf der Software-Seite, Systemintegratoren, Managed Service Provider und andere IT-Dienstleister bis hin zu Maschinenherstellern konstruktiv zusammenarbeiten, um für ihre gemeinsamen Kunden die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.
Über den Autor
Markus Koerner, Präsident von Kyndryl Deutschland.
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