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Brückentechnologie mit mehr Bandbreite und Problemen Wie G.fast Kupfer neues Leben einhaucht

Autor / Redakteur: Dirk Srocke / Dipl.-Ing. (FH) Andreas Donner

Während VDSL2 und Vectoring aktuell in der Praxis implementiert werden, holt das Ende vergangenes Jahr von der ITU verabschiedete Verfahren G.fast noch mehr Bandbreite aus Kupferkabeln heraus. Die neuen Breitbandmöglichkeiten haben jedoch auch ihre Tücken.

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G.fast nutzt Frequenzen bis zu 212 MHz und erreicht auf kurzen Distanzen Übertragungsraten im Gigabitbereich.
G.fast nutzt Frequenzen bis zu 212 MHz und erreicht auf kurzen Distanzen Übertragungsraten im Gigabitbereich.
(Bild: Alcatel-Lucent)

Mit den 2014 verabschiedeten Standards G.9700 und G.9701 hat die Internationale Fernmeldeunion (ITU) eine weitere Brückentechnologie für die "Letzte Meile" auf den Weg gebracht. Die soll Endkunden über Kupferkabel eine Nutzungserfahrung bieten, die bislang lediglich mit Glasfaseranschlüssen möglich gewesen ist. Ebenso wie VDSL2 und Vectoring zuvor, steigert der G.fast genannte Ansatz abermals die auf Kupferkabeln möglichen Bandbreiten, funktioniert jedoch nur auf besonders kurzen Strecken zufriedenstellend.

G.fast leitet sich von der Recommendation ITU-T G.fast-psd ab – und steht für "Fast access to subscriber terminals (FAST) - Power spectral density specification". Die Technik soll Endanwender laut aktuellem Stand mit Bandbreiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde versorgen. Up- und Downstream müssen sich diese Bandbreite freilich teilen.

Während VDSL2 Up- und Downstream auf verschiedene Frequenzen verteilt (Frequency Division Duplex, FDD), nutzt G.fast ein Zeitduplexverfahren (Time Division Duplex, TDD). Davon versprechen sich die Entwickler eine höhere Robustheit. Außerdem ließen sich Zielkonflikte zwischen Energiebedarf und Datendurchsatz so besser regulieren sowie Up- und Downstream-Verhältnisse sehr granular regeln. Zwingend schreibt die ITU Quotienten von 90/10 und 50/50 vor; Zwischenstufen sind möglich.

Störpotential und Koexistenz mit DSL

G.fast nutzt zudem auch höhere Frequenzen als vorherige Standards. Kennt VDSL Bandbreiten bis zu 30 MHz, nutzt G.fast zunächst eine Bandbreite von 106 MHz – die Verdopplung auf 212 MHz ist bereits geplant. Mit den hohen Frequenzen stellen sich aber auch Fragen zur Störanfälligkeit und Koexistenz mit bestehenden xDSL-Anschlüssen.

Der parallele Betrieb von VDSL2 und G.fast im gleichen Bündel lässt sich noch vergleichsweise einfach realisieren. Um ein Übersprechen zwischen Übertragungen der beider Standards zu vermeiden, muss G.fast höhere Frequenzen als VDSL2 nutzen. Neben den Startfrequenzen von 2,2 MHz und 8,5 MHz nennt die ITU hierfür insbesondere auch die Einstiegspunkte 17.664 MHz und 30 MHz.

Wechselwirkungen mit UKW vernachlässigbar

Des Weiteren gilt es Wechselwirkungen mit anderen Funkübertragungen zu betrachen: Das bis 106 MHz (künftig 212 MHz) reichende Frequenzband von G.fast besitzt beispielsweise das Potential, Radioübertragungen zu stören oder von diesen gestört zu werden. Als Gegenmaßnahme könnten konkurrierende Bänder per Notching ausgeblendet werden. In der Praxis stellen die Wechselwirkungen aber offenbar kein Problem dar. Bei Tests hat TK-Ausrüster Huawei etwa nur dann Störungen beim Radioempfang feststellen können, wenn der Empfänger wenige Zentimeter neben dem G.fast-Kabel positioniert wurde. Auch in umgekehrter Richtung seien kaum Störungen zu befürchten – es sei denn ein UKW-Sender befände sich im Umkreis von wenigen hundert Metern.

Aufwändiges Vectoring für hohe Frequenzen

Das Übersprechen zwischen einzelnen Aderpaaren in einem Bündel ist dagegen ein ernsthafteres Problem als bei VDSL2, denn: Es liegt in der Physik hoher Frequenzen, dass sich diese besonders leicht übertragen. Messungen des Ausrüsters Alcatel-Lucent zufolge übertrifft dieses – im Vergleich zu VDSL2 – wesentlich stärkere Übersprechen mitunter den Ausschlag der Nutzsignale.

Für Übersprechen ist G.fast besonders anfällig. Hier zu sehen: Bei hohen Frequenzen wird das Störsignal teilweise stärker als die eigentlichen Nutzsignale.
Für Übersprechen ist G.fast besonders anfällig. Hier zu sehen: Bei hohen Frequenzen wird das Störsignal teilweise stärker als die eigentlichen Nutzsignale.
(Bild: Alcatel-Lucent)

Entsprechend hoch ist der Aufwand, das Fernübersprechen in den Griff zu bekommen. Mit zunehmender Leitungszahl im Bündel steige die dafür notwendige Rechenleistung exponentiell an. Den damit einhergehenden Energiebedarf können die Telko-Ausrüster noch nicht beziffern. Schließlich habe man in Tests bislang lediglich experimentelle FPGAs verwendet. Direkte Vergleiche mit VDSL2 seien ohnehin schwierig, da G.fast mit maximal vier dBm einen deutlich geringeren Leistungspegel nutze als VDSL2. Utopische Betriebskosten seien nicht zu befürchten. Außerdem lassen sich die Stromkosten auch auf den Endkunden abladen; so spricht auch die ITU von einem Reverse power feeding (RPF) der Verteilungseinheit (Distribution Point Unit, DPU) seitens der Kunden.

Per Vectoring erreicht G.fast im Kabelbündel beinahe die gleiche Performance wie über eine isolierte Kupferdoppelader.
Per Vectoring erreicht G.fast im Kabelbündel beinahe die gleiche Performance wie über eine isolierte Kupferdoppelader.
(Bild: Alcatel-Lucent)

Dämpfung frisst Bandbreite

Abgesehen vom Übersprechen hat auch G.fast mit Dämpfungseffekten zu kämpfen, welche die Länge nutzbarer Kabelstränge beschränkt. Laut ITU sind lediglich auf Längen unter 100 Metern Durchsätze zwischen 500 und 1.000 Mbit/s erreichbar. Bei 250 Metern bleiben noch 150 Mbit/s übrig. Damit taugt die Technik als Ergänzung zu FTTB- und FTTdp-Netzen. (Fibre to the Building/distribution point)

Da hier lediglich noch wenige Meter für eine durchgehende Glasfaserverbindung zu überbrücken sind, drängt sich eine Frage geradezu auf: Inwieweit lohnt sich der nicht unerhebliche Aufwand beim Tuning vorhandener Kupferstränge überhaupt und verringern Service Provider damit tatsächlich Kosten und Zeit beim Marktzugang?

Begrenzte aber lohnende Einsatzszenarien

Zumindest für Deutschland antworten die TK-Ausrüster hier zunächst zögerlich, da es in der Fläche an einer entsprechenden Infrastruktur fehlt: Statt in begehbaren Schächten lägen Kabel hierzulande häufig in schwer erreichbaren Muffen. Zur Breitbandversorgung auf dem Land wird die Technik ebenfalls nicht viel betragen können: Wo schon kein reguläres DSL durchkommt, nützen auch hochgezüchtete Verfahren mit noch kürzeren Reichweiten nichts.

Bei der Inhouse-Verkabelung könnte die Technik jedoch ihr Potential entfalten. G.fast-Anschlüsse sind laut Fachkreisen zwar lediglich um die 30 Prozent günstiger als eine komplette Glasfaserverkabelung von der Hauswand bis in die einzelnen Wohnungen. Hausbesitzer sträubten sich jedoch häufig gegen Modernisierungsprojekte und Kupferkabel sind bereits überall verlegt. Und selbst bei Neubauten ist eine Glasfaserverkabelung noch immer keine Selbstverständlichkeit.

Serienreif bis Ende 2015

Bis G.fast wirklich in der Praxis ankommt wird es noch etwas dauern. Huawei spricht von ersten Pilotversuchen und glaubt, Ende 2015 serienreife Produkte liefern zu können. Vorsichtig formuliert auch Niels Hafenrichter, Sprecher bei der Deutschen Telekom: "Für uns ist es zum heutigen Zeitpunkt noch zu früh, um über konkrete Pläne hinsichtlich der G.fast-Technologie zu sprechen. Wir schauen uns die Möglichkeiten der neuen Techniken wie immer genau an und untersuchen beispielsweise Prototypen verschiedener Hersteller, um das Potential zu bewerten. Wie bei allen neuen Technologien führen wir unterschiedlichste Tests durch und prüfen sehr genau die Optionen."

Nichtsdestotrotz arbeiten Forscher und TK-Ausrüster bereits jetzt weiter an schnelleren Übertragungsmethoden. So meldete Huawei vor einiger Zeit, mit einem "SuperVector"-Prototypen 400 Mbit/s über Kupferkabel schicken zu können – und das über die vergleichsweise lange Distanz von 300 Metern! Das wäre doppelt soviel, wie G.fast derzeit schafft. Wissenschaftler des Fraunhofer ESK untersuchen derweil, inwieweit verlegte Kabeltypen ein bis zwei GBit/s zuverlässig übertragen können. Die Forscher der zu Alcatel-Lucent gehörenden Bell Labs tüfteln schließlich an einem XG-FAST genannten Verfahren: Mit breiteren Frequenzbändern und Bonding schaffe Kupfer dabei bis zu zehn Gbit/s.

Auch die ITU ist nicht untätig und kündigt noch für die erste Jahreshälfte ein Amendment an, das die Leistung und Reichweite von G.9701 mit weiteren Features erweitern soll. Geplante Zertifizierungen sollen künftig zudem Interoperabilität und Zuverlässigkeit von Hardwareprodukten sicherstellen.

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