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Lokale Vernetzung mit 5G Campusnetze einfach erklärt

Von Thomas Hainzel [Red.: Sebastian Human]

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Immer wieder hört man im Kontext des industriellen Einsatzes des neuen Mobilfunkstandards 5G von so genannten Campusnetzen. Doch viele Unternehmen rätseln noch, was sich hinter dem Begriff verbirgt. Wie liefern Antworten auf einige wichtige Fragen.

Industrieunternehmen können den neuen Mobilfunkstandard 5G in privaten Campusnetzen nutzen, die wie ein kleines öffentliches Netz aufgebaut sind oder als Out-of-the-Box-Lösung bereitstehen.
Industrieunternehmen können den neuen Mobilfunkstandard 5G in privaten Campusnetzen nutzen, die wie ein kleines öffentliches Netz aufgebaut sind oder als Out-of-the-Box-Lösung bereitstehen.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

Vor rund zehn Jahren gab es im Bergwerk von Rio Tinto in Nordwest-Australien ein Problem: Die autonomen Lastfahrzeuge auf dem Gelände stellten aus unerfindlichen Gründen immer wieder den Betrieb ein. Als die Experten vor Ort den Kommunikationsaufbau analysierten, sahen sie auf einem einzelnen Berg sechs verschiedene Infrastrukturen für neun verschiedene Netze. Eine Drittfirma hatte anscheinend einen WiFi-Link eingerichtet, um zwei Gebäude miteinander zu verbinden. Das störte aber das Netz für die autonomen Fahrzeuge, die dann nicht mehr funktionierten. Für die Vernetzung der Fahrzeuge und einen reibungslosen Betrieb musste also eine andere Lösung her.

Die vernetzte Industrie

Wollen Industrieunternehmen die digitale Transformation und die Automatisierung im Betrieb voranbringen, müssen sie Prozesse und Systeme, Sensoren, Maschinen und Mitarbeiter so flexibel wie nur möglich vernetzen. Eine kabelgebundene Netzinfrastruktur ist aber teuer und begrenzt außerdem die möglichen, mobilen Anwendungen. Ein privates Campusnetz kann die beste Lösung sein, um möglichst viele Industrie 4.0-Anwendungen zu implementieren und gleichzeitig die für Kabel typische Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Sicherheit zu erreichen.

Während die dritte industrielle Revolution mit Computern und Internet massive Auswirkungen auf den Dienstleistungssektor hatte, zum Beispiel im Finanz- und Medienbereich, profitierten anlagenintensive Industrien mit einem hohen Anteil an schweren Maschinen, Fertigungslinien und Fördertechnik weniger stark. Denn Kabel und WLAN-Netze, die in einer Büroumgebung gut funktionieren, sind nicht auf bewegliche Teilnehmer ausgelegt und daher eher ungeeignet für anlagenintensive Industrien, die ganz bestimmte Anforderungen mit sich bringen. Mit der vierten industriellen Revolution oder Industrie 4.0 wird sich das jedoch ändern. Viele Industrieanwendungen laufen heute schon auf 4G Mobilfunknetzen und mit steigenden Anforderungen erfolgt eine schrittweise Migration auf 5G.

Industrie 4.0 beschreibt das Potenzial, das durch das industrielle Internet der Dinge (Industrial Internet of Things, IIoT), Künstliche Intelligenz beziehungsweise maschinelles Lernen erwächst. Dieses Potenzial besteht aus höherer Effizienz, Sicherheit und Flexibilität der Produktionsabläufe und einer verbesserten Umweltbilanz durch die Verschmelzung physischer und digitaler Prozesse. Den Analysten des Beratungsunternehmens 451 Research zufolge werden noch 2021 1,3 Milliarden IoT-Endpunkte vernetzt. Zur Industrie 4.0 gehört auch die Digitalisierung der gesamten Infrastruktur, die wir brauchen, um natürliche Rohstoffe nachhaltig zu nutzen, zu produzieren, Energie zu erzeugen und alle Aspekte unserer technologie-geprägten Welt zum Wohle der Menschheit zu managen.

Mobilfunknetze sind dafür konzipiert, Endgeräte in Bewegung und in unterschiedlichen Funkumgebungen zuverlässig zu verbinden. Sie haben eine größere Kapazität für noch mehr Endgeräte, große Reichweite und eine bessere Signaldurchdringung als andere Funktechnologien. Vor allem aber bieten sie eine geringere Latenz (Reaktionsverzögerung), was für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, etwa in der Robotik, entscheidend ist.

Wozu ein privates Campusnetz?

Ein privates Campusnetz ist ein für Betriebsanlagen ausgelegtes eigenständiges Netz. Ein solches Netz bietet Breitbandverbindungen, ähnlich wie ein öffentliches drahtloses Netz, befindet sich jedoch im Eigentum und in der Kontrolle des Unternehmens, das es aufgebaut oder gekauft hat.

Private Campusnetze können nicht nur an einzelnen Industriestandorten, sondern auch für angeschlossene Standorte (Nahbereichsnetze) oder sogar landesweit (Weitverkehrsnetze) implementiert werden. Ein Bahnbetreiber muss beispielsweise seine Rangier- und Personenbahnhöfe sowie die Züge auf den Strecken verbinden. Logistikdienstleister brauchen eine noch größere Abdeckung, die ihre Zentrallager und alle dezentralen Lager umfasst.

Unternehmen, die sich für ein privates Campusnetz entscheiden, können es entweder selbst aufbauen und betreiben oder den Aufbau sowie den Betrieb an einen Mobilfunknetzbetreiber, einen Netzwerkausrüster oder einen anderen Marktakteur auslagern, etwa einen Systemintegrator oder Cloud-Service-Anbieter.

Private Campusnetze können wie ein kleines öffentliches Netz aufgebaut sein, oder als so genannte Out-of-the-Box-Lösung von Netzausrüstern bereitgestellt werden. Zu solchen Lösungen gehören zum Beispiel Edge-Computing-Hardware, Funkzugangspunkte, Add-on-Anwendungen, Endgeräte und verschiedene Optionen für das Funkspektrum.

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Warum das Funkspektrum für Campusnetze wichtig ist

Apropos Funkspektrum: Alle drahtlosen Netze – auch WLAN- und Mobilfunknetze – nutzen ein definiertes Funkfrequenzspektrum für die Übertragung. Gleichzeitig wird das Funkspektrum für Amateur- und Profifunk, terrestrisches und Satellitenfernsehen, GPS, Bluetooth sowie polizeiliche und militärische Radarsysteme genutzt. Jeder Dienst nutzt je nach Anforderung andere Frequenzbereiche. Bei niedrigeren Frequenzen breiten sich die Funkwellen weiter aus und sind besser in der Lage, physische Objekte zu durchdringen. Sie haben jedoch eine geringere Bandbreite, das heißt weniger Kapazität für das Senden und Empfangen von Daten. Höhere Frequenzen dagegen haben eine größere Bandbreite, verteilen sich aber nur über kürzere Entfernungen und durchdringen keine festen Strukturen wie Gebäude.

Da das Funkspektrum eine begrenzte Ressource ist, gibt es große Konkurrenz darum. Aufgabe der nationalen Regulierungsbehörden ist es deshalb, das Spektrum aufzuteilen und zeitlich und geografisch begrenzte Lizenzen zu vergeben. Die Vergabe der Lizenzen zum Betrieb öffentlicher Mobilfunknetze erfolgt meist durch Versteigerungen, vor allem an Telekommunikationsanbieter. Diese Frequenzbänder werden als das „lizenzierte“ Spektrum bezeichnet. Speziell für WLAN-Netze wurden zwei unlizenzierte Bänder (2,4 und 5 GHz) definiert, die weltweit einheitlich genutzt werden.

Private Campusnetze können sowohl im lizenzierten als auch im unlizenzierten Spektrum betrieben werden und die Nutzer treffen ihre Entscheidung je nach Standort, Bedarf, und Budget. Der Großteil des lizenzierten Spektrums befindet sich aktuell in der Hand von Telekommunikationsanbietern, die Frequenzen an Unternehmen „untervermieten“ können. Doch Regulierungsbehörden, beispielsweise in den USA (CBRS-Spektrum), Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Japan, geben zusätzliches Spektrum frei, um die Digitalisierung der Industrie zu unterstützen.

In bestimmten Fällen ist auch die Nutzung des unlizenzierten Spektrums mit der LTE-basierten MulteFire-Technologie eine Option, die private Campusnetze in kleinen und mittelständischen Unternehmen oder in bestimmten Einsatzszenarien ermöglicht, etwa an kurzfristigen Baustellen, für die das lizenzierte Spektrum eine administrative Herausforderung wäre.

Wer nutzt Campusnetze?

Campusnetze eignen sich sehr gut für zahlreiche Industriezweige und Bereiche des öffentlichen Sektors, beispielsweise den Bergbau, Versorgungsunternehmen, Unternehmen mit Produktionsstätten, Lagerhallen, Häfen, Flughäfen, Polizei und Ordnungsbehörden oder Städte, die zu Smart Cities werden wollen. Nokia prognostiziert, dass im kommenden Jahrzehnt bis zu 14 Millionen Industriestandorte weltweit mit privater drahtloser Konnektivität ausgestattet werden müssen. Dem IoT-Spezialisten ABI zufolge wird der Markt für private Campusnetze bis 2025 auf 16,3 Mrd. € wachsen. In einer aktuelleren Untersuchung, für die im vergangenen Jahr 600 Entscheidungsträger aus der produzierenden Industrie befragt wurden, gaben 74 Prozent der Befragten an, ihre Kommunikations- und Steuernetze bis Ende 2022 modernisieren zu wollen, wobei mehr als 90 Prozent die Nutzung von 4G oder 5G in ihren Betrieben in Erwägung ziehen. 63 Prozent denken über die Digitalisierung und Optimierung der vorhandenen Infrastruktur, 51 Prozent über Automatisierung mit Robotik und 42 Prozent über die Steigerung der Mitarbeiterproduktivität nach.

Im Bergwerk von Rio Tinto wurde schon bald nach der Analyse der Kommunikationsinfrastruktur vor Ort ein privates Campusnetz installiert. Nach einer Überprüfung aller drahtlosen Anwendungen war dem Unternehmen schnell klar, dass nur eine Lösung im lizenzierten Funkspektrum die nötige Zuverlässigkeit bieten konnte. Kurz danach war das weltweit erste private 4G/LTE-Campusnetz in der Rohstoffindustrie und das erste private Campusnetz in Australien „geboren“.

Über den Autor

Thomas Hainzel arbeitet als Head of EMEA Manufacturing & Logistics bei Nokia.

Dieser Beitrag stammt von unserem Schwesterportal Industry of Things.

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