Automobil-Messtechnik meets Kommunikationstechnik Wie drahtlose Kommunikation für Sicherheit in Fahrzeugen sorgt
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Damit das moderne Fahrzeug mit seiner Umgebung kommunizieren kann, ist eine universelle Fahrzeugkommunikation (V2X) notwendig. Unterstützt wird die Kommunikation durch Messtechnik.

Ein Smartphone bekommt Räder: So lassen sich die Entwicklungen im Automobilbau der letzten Jahren zusammenfassen. Auch die technische Evolution zeigt den Wechsel vom Autotelefon zu modernen Kommunikations- und Entertainmenttools. Dazu gehören nicht nur anwenderorientierte Services. Mobilfunk wird ein zentraler Bestandteil des kooperativen intelligenten Transportsystems (C-ITS) sein.
Dann so soll Mobilität künftig schnell, sicher, verlässlich, kooperativer und umweltschonender werden. Es lassen sich zwei Anwendungsfelder unterscheiden: komfort-verbessernde Entertainment- und Kommunikationsdienste und Assistenzsysteme auf der einen und Kommunikationsdienste zwischen Fahrzeug und anderen Straßennutzern auf der anderen Seite. Zu letzterem zählen bereits eingeführte Dienste wie der automatische Notruf eCall. Aber auch eine direkte Kommunikation vom Fahrzeug zu anderen Teilnehmern, als zellulares Vehicle-to-Everything (C-V2X) bezeichnet.
Das Standardisierungsgremium 3GPP, verantwortlich für die Mobilfunkstandards LTE und 5G, hat im Release 14 das Anwendungsgebiet Automotive aufgenommen. Das PC5-Interface oder auch der Sidelink erlaubt eine direkte Funkkommunikation zwischen Teilnehmern, unabhängig von einem Funkzugangsnetz. Release 15 und 16 enthalten technische Erweiterungen, bei Release 16 wird der Sidelink auf Basis von 5G spezifiziert und ermöglicht neue Anwendungen.
Eine universelle Kommunikation ermöglichen
Bei den autonomen Fahrzeugen besteht das Ziel, ein autarkes durch ein kommunikationsbasiertes System zu ergänzen. Unterstützt werden diese Systeme von autonom agierenden Sensoren wie Radar, Lidar, Ultraschall oder Video. Damit bekommen die Fahrzeuge eine Übersicht über Umgebungsdaten, die vollkommen unabhängig von jeglicher Kommunikation agieren, jedoch eine begrenzte Reichweite besitzen. Kommunikation soll diese autarken Systeme nicht ersetzen, sondern die angebotenen Dienste verbessern und unterstützen.
Beispielsweise erhöht sich die Reichweite von Sensoren durch Kommunikation des Fahrzeugs mit der Umgebung. V2X-Kommunikation bildet somit einen weiteren Baustein innerhalb der Advanced Driving Assisted Services (ADAS).
Um eine universelle Kommunikation zwischen verschiedenen Partnern zu ermöglichen, spezifizieren Standardisierungsgremien die nötigen Funktechnologien und Komponenten. Anwendungen reichen von cloudbasierten Serverstrukturen in einem klassischen Mobilfunknetz bis zur direkten Kommunikation. Latenzzeit ist im Transportsektor ein entscheidendes Kriterium.
Cloud- oder Serveranwendungen können deshalb im zentralen Netz integriert sein, um eine weltweite Kommunikation zu ermöglichen, oder aber dezentral möglichst nahe an der Antenne als sogenannte Multi-access-Edge-Cloud (MEC). Derzeit konkurrieren zwei Funktechnologien bei der direkten Kommunikation: die von IEEE spezifizierte Variante 802.11p auf Basis der WLAN-Technologie und die PC5-Schnittstelle von 3GPP auf Basis der Mobilfunkstandards LTE und 5G.
Technische Evolution der mobilen Kommunikation
Einen zentralen Überblick über die Entwicklung im Mobilfunk mit Fokus auf Fahrzeugkommunikation zeigt Bild 2. Hier ist eine Trennung zwischen der netzwerkbasierten Kommunikation über die Mobilfunk-Luftschnittstelle, sogenanntes Uu-Interface, und der direkten Kommunikation über den Sidelink dargestellt. Bei der Kommunikation zwischen einer Telematic Control Unit (TCU), ein Modul, das Anwendungen auf Basis von Mobilfunk im Fahrzeug anbietet, und dem Netzwerk handelt es sich um eine klassische Mobilfunkverbindung zwischen einem registrierten Endgerät (USIM) und einem Gegenpart.
Beispiele sind moderne Navigationssysteme, die ihre Aktualisierungen über LTE oder 5G bekommen, Entertainmentsysteme, aber auch herstellerspezifische Servicedienste wie Fernüberwachung und Pannenhilfe. Mit 5G eröffnen sich den Modulherstellern einige Vorteile: Höhere Datenraten, kürzere Latenzzeiten, Quality-of-Service-orientierte Kommunikation pro Anwendung sowie eine flexible Infrastruktur.
Safety und Security in der Fahrzeugkommunikation
Ein sehr wichtiger Aspekt für die direkte V2X-Kommunikation ist der Einklang der technischen Evolution mit den angedachten Services. 3GPP unterteilt in die Phasen I-III. Phase I zielt auf Sicherheit im Transportwesen, wobei die englischen Begriffe Safety und Security sich unterscheiden. Während Safety die Sicherheit oder unfallfreie Fortbewegung tangiert, bedeutet der Begriff Security eine verschlüsselte und autorisierte Kommunikation. C-V2X berücksichtigt beides. Auf Anwendungsebene sind eine Reihe von Use Cases spezifiziert, beispielsweise Stauwarnungen, Abbiegeassistenz oder Fahrspuränderungen. Je nach Region werden diese unter Begriffen wie Cooperative Awareness Message (CAM) oder Basic Safety Messages (BSM) geführt. Für China fasst das Dokument CSAE0053 diese als „China Day One Use Cases“ zusammen.
3GPP Release 15 beinhaltet neben der Einführung von 5G als zukünftigen Mobilfunkstandard auch die Phase II V2X, eine Weiterentwicklung des LTE-Sidelinks. Ziele sind höhere Datenrate und kürzere Latenz. Die 64QAM-Modulation oder Bandbreitenerweiterung Carrier Aggregation führt zu einer höheren Datenrate auf dem Sidelink und die Reduktion des Sendeintervalls verkürzt Latenzzeiten. Dadurch bieten sich erweiterte Kommunikationsdienste. Ein Beispiel dafür ist die See-Through-Anwendung. Ein Fahrzeug bekommt das Bild der Kamera des vorausfahrenden Fahrzeugs im Display angezeigt. So hat der Fahrer eine bessere Übersicht über den möglichen Gegenverkehr.
Ein erweiterter Sidelink ermöglicht eine verlässlichere und schnellere Kommunikation. Das Release 16 erweitert die 5G durch die PC5-Schnittstelle und ermöglicht NR-V2X-Anwendungsgebiete der Phase III wie beispielsweise kooperative Fahrmanöver, geteilte Sensordaten oder gar ferngesteuerte Fahrzeuge.
Release 16 ermöglicht NR-V2X bei Fahrzeugen
Release 16 erweitert den LTE-V2X-Sidelink um NR-V2X. Hauptkriterium ist es, die hohe Flexibilität von 5G auch in dem Sidelink zu verwirklichen. NR-V2X unterstützt Qualitätsanforderungen der Dienste. So etwa laufen zwischen zwei Kommunikationspartnern mehrere Datentunnels, von denen jeder ein eigenes Quality-of-Service-Profil bezüglich Parameter wie Latenzzeit, Verlässlichkeit, Bitrate oder Priorität besitzt.
Auch ist NR-V2X völlig agnostisch hinsichtlich des Frequenzbands. Erste Implementierungen zielen auf das ITS-Band bei 5,9 GHz aber mögliche Erweiterungen in lizenzierten oder lizenzfreien Bändern wie Millimeterwellen-Kommunikation sind möglich. Wie bereits bei LTE bietet NR V2X die Möglichkeit, den Sidelink über ein Netzwerk zu koordinieren und Funkressourcen zuzuweisen.
Endgeräte können die Kommunikation direkt auf Basis eines Ressourcenpools und eines Listen-before-Talk-Mechanismus initiieren. Als Zeitsynchronisation dient hier entweder das 5G-Netz, ein Satellitennetz oder die Endgeräte einigen sich bei Verbindungsaufbau, wer die Zeitreferenz vorgibt. NR-V2X erweitert zudem die Kommunikationsmöglichkeiten. Es gibt neben dem Broadcast-, welcher Daten an alle möglichen Empfänger sendet, auch einen Multicast- und Unicast-Modus. Der Vorteil des Multicast-Modus ist nicht nur die Bildung einer virtuellen Gruppe von Empfängern, sondern auch, dass die Empfänger die Daten bestätigen. Hier wird also der Aspekt der Verlässlichkeit forciert.
Die Ressourcen im Netzwerk managen
Zudem erlaubt Multicast, die Gültigkeit eines Datenpakets auf Basis der Distanz zwischen Sender und Empfänger zu definieren. Beispielsweise ist die Information einer Ampel als Road Side Unit (RSU) nur für Fahrzeuge in räumlicher Nähe relevant. Der Unicast-Fall perfektioniert die individuelle Datenübertragung zwischen Teilnehmern. So können QoS-Profile individuell ausgehandelt und die benötigten Funkressourcen belegt werden.
Als Beispiel für die Komplexität des Sidelinks gilt die Ressourcenzuteilung. Das Netzwerk hat die Möglichkeit, Sidelink-Ressourcen dynamisch zuzuteilen. Es erteilt auch die Erlaubnis, die das Endgerät ad-hoc ohne vorherige Nachfrage nutzt (Grant-free-Zugang), um die Latenz zu reduzieren oder im sogenannten Semi-persistent-Modus. Die zugeteilten Ressourcen werden per Signalisierung aktiviert, besonders effizient für quasi-konstante Datenraten.
Eine Kanalstruktur auf der physikalischen Ebene ermöglicht das Senden von Kontrollinformation, die flexible Ausstattung des Funkkanals mit Referenzsignalen, um beispielsweise Dopplerversatz zu kompensieren, und einen Rückkanal, der ACK/NACK-Nachrichten oder Funkkanalmessungen an den Sender übermittelt. Release 16 NR-V2X erweitert LTE-V2X und bietet neue Anwendungsfelder einer zukünftigen Direktkommunikation im Transportwesen.
Die Kommunikationsmesstechnik im Automobilumfeld
Neben der richtigen Technologie und den Anwendungsfeldern garantiert Messtechnik den Erfolg. Die Einsatzgebiete der Messtechnik in der automobilen Kommunikation reichen von Komponententests, Funkparametermessungen über Protokoll- und Signalisierungsszenarien bis hin zu Koexistenzprüfungen und Anwendungsmessungen im Feld. Mit Einführung einer direkten Kommunikation ist ein Messsystem notwendig, das neben einem Netzwerk auch eine Sidelink-Gegenstelle emulieren kann und die Möglichkeit der Zeitsynchronisation über einen Satellitenkanal bietet.
Ein geeignetes System zum Testen und Bewerten der V2X-Anwendungen setzt die Implementierung des ITS-Protokollstacks voraus. Die Königsklasse in der Messtechnik für Automotive-Anwendungen ist der Full-Vehicle-Test (FVT). Das komplette Fahrzeug wird als Netzwerk aus unterschiedlichen Devices mit Kommunikationsschnittstellen betrachtet, bei dem verschiedene Funktechnologien, Radarsysteme und weitere elektrische Anwendungen simultan agieren. Ziel ist es durch geschickte Messverfahren die einwandfreie Funktion jeder einzelnen Anwendung zu verifizieren sowie mögliche Koexistenzprobleme zu erfassen.
Über den Autor
Reiner Stuhlfauth arbeitet als Technologie-Manager für Wireless bei Rohde & Schwarz in München.
Dieser Beitrag stammt von unserer Schwesterpublikation Elektronikpraxis.
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