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Windows 10 als Raspberry-Pi-Betriebssystem So installieren Sie Windows 10 auf einem Raspberry Pi 3

Sebastian Gerstl

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Windows 10 ist nicht nur in der abgespeckten IoT-Version, sondern auch als vollwertiges OS für ARM-Prozessoren erhältlich. Ein spezieller Installer macht es nun möglich, das Betriebssystem auch auf einem Raspberry Pi 3 zu installieren. Aber lohnt sich der Aufwand?

Ein richtiges Windows 10 auf dem Raspberry Pi: Mit dem WoA-Installer und einer speziellen ARM-Version von Windows 10 lässt sich das Betriebssystem auf dem Single-Board-Computer installieren und stabil ausführen. Nur die Performance hakelt gewaltig.
Ein richtiges Windows 10 auf dem Raspberry Pi: Mit dem WoA-Installer und einer speziellen ARM-Version von Windows 10 lässt sich das Betriebssystem auf dem Single-Board-Computer installieren und stabil ausführen. Nur die Performance hakelt gewaltig.
(Bild: Microsoft)

Der Mini-Rechner Raspberry Pi hat sich nicht nur als kleine Bastel-Platine, sondern auch im Einsatz als PC bewährt. Zumindest belegen dies die diversen Laptop- und Desktop-Kits, die den Single-Board-Computer zu einem richtigen PC machen sollen. All diesen Kits ist allerdings eines gemein: Sie setzen weiterhin auf ein Linux-basiertes OS, sei es das Standard-Betriebssystem Raspbian oder eine von zahlreichen anderen Varianten, die allesamt auf quelloffenen, Mikrokernel-basierten Linux-Versionen aufsetzen. Auf „typische“ Windows-Anwendungen muss man auf diesen SBC-basierten Laptops oder Desktop-PCs allerdings verzichten – was Tüftler nicht davon abhält, es trotzdem zu versuchen.

Offiziell stellt Microsoft für Raspberry Pi und andere Einplatinenrechner nur die abgespeckte Variante Windows 10 IoT bereit, das speziell für Embedded-Applikationen entwickelt wurde. Dennoch hatte das Unternehmen im Rahmen einer Partnerschaft mit Qualcomm angekündigt, eine speziell auf ARM-Prozessoren zugeschnittene, vollwertige Variante des Windows-10-Betriebssystems für Tablets, Smartphones und andere mobile Rechner anzubieten. Mit Hilfe eines speziellen WoA-Deployer genannten Installers, der von einem GitHub-Repository quelloffen bezogen werden kann, ist es nun auch möglich, diese Windows-Version auf einem Raspberry Pi 3B oder einem 3B+ zum Laufen zu bekommen. Dieser Prozess ist allerdings mit Aufwand und Tücken verbunden – und eines sollte von vornherein klar sein: Am Ende wird kein billiger Ersatz für einen „richtigen“ Windows-10-PC herauskommen.

Windows 10 auf dem Raspberry Pi: Mit diesen Einschränkungen müssen Sie rechnen

Eine der ersten Produktreihen, die offiziell auf das Betriebssystem Windows 10 for ARM setzen wird, sind die „Always-Connected-PCs“ (ACPCs) des Prozessorhersteller Qualcomm. Mit den darin verbauten, ARM-basierten Snapdragon8cx-SoCs will der bislang vorwiegend auf den Smartphone- und Tablet-Markt fokussierte Hersteller auch auf den Notebook-Markt drängen. Um den Anwendern in diesem Segment eine vertraute Umgebung bieten zu können, stellt Microsoft für dieses Segment eine Windows-10-Version zur Verfügung, in der Notebook-Nutzer ihre gewohnten Programme auch auf der ARM-CPU nutzen können – zumindest in einem eingeschränkten Rahmen.

Anwendungen, die für Windows 10 explizit geschrieben wurden, wie etwa die digitale Assistentin Cortana oder der integrierte Edge-Browser, laufen anstandslos. Bei anderen Windows-Anwendungen, die typischerweise für x86-Prozessoren geschrieben sind, bleiben Anwender allerdings auf 32-Bit-Versionen beschränkt – Wer Software für 64-Bit-Prozessoren nutzen möchte, bleibt außen vor.

Mehr noch: x86-Software läuft ausschließlich innerhalb einer Emulator-Umgebung; auch wenn diese recht gut funktioniert, frisst das doch zusätzliche Ressourcen, was die Performance des Systems belastet. Für Gerätetreiber werden außerdem spezielle ARM-Versionen benötigt, die dem Betriebssystem in der Regel nicht beiliegen – bei den ACPCs von Qualcomm wird der Hersteller seine eigenen Treiberversionen beisteuern müssen. Auch bei Libraries und Schnittstellen gibt es Einschränkungen: So nutzt „Windows 10 for ARM“ zwar das hauseigene DirectX bis zu Version 12 anstandslos. Die quelloffene Variante OpenGL wird dagegen in diesem Betriebssystem nicht zur Hardware-Beschleunigung unterstützt.

Wer sich also die Mühe machen möchte, Windows 10 for ARM auf seinem Raspberry Pi zu installieren, muss sich über all diese Einschränkungen im Klaren sein.

Installation von Windows 10 auf einem Raspberry Pi

An Hardware benötigen Sie: Ein Raspberry Pi 3 (idealerweise ein Modell 3B+), eine microSD Karte mit mindestens 8 GByte Speicherplatz und einen Windows-10-PC, von dem aus das Betriebssystem auf die microSD-Karte installiert werden kann.

Bevor Sie mit der Installation des Betriebssystems beginnen, müssen Sie sich erst eine Reihe von Softwarepaketen herunterladen. Essentiell sind hierzu der 5 MByte schlanke Windows-on-ARM (WoA)-Installer und ein zugehöriges, ca. 40 Mbyte umfassendes Core Package mit den notwendigen Treibern und Bibliotheken. Stellen Sie sicher, dass Sie mindestens die Version 1.4.0 des Core-Packages beziehen, denn nur diese enthält bereits die nötigen ARM-Treiber für USB-Ports und den Ethernet-Anschluss.

Nachtrag: Inzwischen existiert Version 2.0 des WoA-Installers, nun auch WoA-Deployer genannt. In diesen wurde das nötige Core Package mit den Treibern und Bibliotheken bereits integriert. Der separate Download eines Core Packages entfällt dadurch.

Damit der Installer anständig funktioniert, sollten Sie zudem sicherstellen, dass Sie das .NET Framework mindestens in Version 4.6.1 auf ihrem Windows-10-Rechner installiert haben. Wer mehr Freiheiten bei der Konfiguration seines Windows-10-Betriebssystem auf dem Raspberry Pi haben möchte, kann alternativ auch zu dem 500 MByte große Tool „Windows on Raspberry Imager“ greifen. Dieses ist allerdings auch wesentlich komplexer in der Bedienung. Für unseren Test haben wir uns für die einfachere, nutzerfreundlichere Installation mittels des WoA-Installers entschlossen.

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Zusätzlich benötigen Sie noch das entsprechende Betriebssystem. Microsoft selbst bietet keine offizielle Webseite für den Download von Windows 10 for ARM an. Es gibt allerdings einige Online-Tools, die es per Skript ermöglichen, eine Version des Betriebssystems zu beziehen. Ein Vorgehen hierfür beschreibt die WoA-Projektseite auf GitHub. Der Prozess kann einige Stunden in Anspruch nehmen, am Ende sollten Sie aber eine knapp 4 GByte große ISO-Datei mit Windows 10 for ARM auf der Festplatte haben.

Mit Hilfe des Installationstools „Windows-on-ARM (WoA)-Deployer“ können Sie innerhalb weniger Mausklicks eine Windows-Installation auf einer geeigneten microSD-Karte für das Raspberry Pi einrichten.
Mit Hilfe des Installationstools „Windows-on-ARM (WoA)-Deployer“ können Sie innerhalb weniger Mausklicks eine Windows-Installation auf einer geeigneten microSD-Karte für das Raspberry Pi einrichten.
(Bild: Screenshot / Tool by Kryštof Černý)

Haben Sie die Tools und das Betriebssystem erst einmal bezogen, geht die eigentliche Installation mit Hilfe des WoA-Installers äußerst einfach vonstatten: Mounten Sie zunächst die ISO-Datei unter Windows 10. Entpacken Sie anschließend den WoA-Installer in einen Ordner Ihrer Wahl und starten Sie die Datei „Installer.Raspberry.Application.exe“. Für die Ausführung des Tools benötigen Sie Administrationsrechte auf ihrem Windows-10-PC.

Hinweis: In der alten Version des WoA-Installers musste zunächst noch ein einem weiteren Schritt das Menü „Advanced“ aufgerufen werden. Dort musste man dann das Zip-Archiv mit dem Core-Package manuell einhängen. Dieser Schritt entfällt in Version 2.0 des Installers.

Wählen Sie nun auf der linken Fensterseite das Laufwerk mit der im Fat32-Format formatierten microSD-Karte. Auf der rechten Seite wechseln Sie auf das Laufwerk der gemounteten ISO-Datei von Windows 10 for ARM und wählen dort die Datei „Install.wmi“ aus – diese sollte sich im Ordner „sources“ befinden. Klicken Sie anschließend auf „Deploy“, um die Installation zu starten. Dieser Vorgang nahm in unserem Test etwa 3 Stunden in Anspruch.

Sollte es mit der Installation aus irgendeinem Grund nicht klappen, gibt es unter Pi64.win eine detaillierte Anleitung, wie Sie im Bedarfsfall die nötigen Konfigurationsdatei von Hand anpassen.

Performance: ausreichend bis mangelhaft

Sobald das Tool den Vorgang abgeschlossen hat, können Sie die microSD-Karte in ihr Raspberry Pi einlegen und den SBC starten. Haben Sie die oben aufgeführten Schritte befolgt, startet Windows 10 auf Ihrem Raspberry Pi. Sie sollten allerdings genügend Geduld mitbringen – der Bootvorgang kann durchaus 5 Minuten beanspruchen, je nach Geschwindigkeit der verwendeten microSD-Karte sogar noch mehr. Da die auf dem Raspberry Pi (selbst in den Modellen 3B+) vorhandene GPU Broadcom Dual Core VideoCore IV nur die OpenGL-Schnittstelle verwendet, die allerdings von Windows 10 on ARM nicht unterstützt wird, ist für das Grafikrendering keine Hardware-Unterstützung vorhanden – alles muss von der Software gerendert werden. Das dauert seine Zeit, insbesondere da ein Raspberry Pi 3 je nach Modell nur zwischen 512 MByte und 1 GByte an Arbeitsspeicher besitzt, der durch Windows 10 on ARM über alle Maßen strapaziert wird.

Demgemäß langsam und zäh ist dann auch der Betrieb. Der Umstand, dass x86-Software nur in einer emulierten Umgebung ausgeführt werden kann, verschlimmert diesen Zustand noch. Das System läuft, allerdings nur unglaublich langsam, mit langen Verzögerungen – teilweise 30 Sekunden oder mehr – bis ein Doppelklick zu einem sichtbaren Programmstart führt. Ethernet und USB funktionieren dank der im Core Package 1.4.0 integrierten Treiber zwar anstandslos, aber das Surfen im Internet wird bei einem Browser wie Chromium zur Qual. Ironischerweise ist beim Internet-Surfen das Erlebnis mit dem integrierten Browser Edge deutlich angenehmer – nur leider hegt Microsoft wohl derzeit Pläne, die weitere Entwicklung an Edge einzustellen und künftig selbst auf eine Chromium-basierte App zu setzen.

Mehr Kuriosität als Offenbarung

Immerhin: Das Betriebssystem läuft – zwar unerträglich langsam, aber im ersten Test doch stabil. Win32-Anwendungen lassen sich durchaus installieren und auch ausführen. Wegen der unglaublichen Performance-Lags lässt sich allerdings mit einem zum Windows-10-PC ummodellierten Raspberry Pi 3 kaum etwas Sinnvolles anstellen: Die verfügbare, auf 1,2 GHz getaktete Quadcore-ARM-CPU ist nicht in der Lage, Faktoren wie mangelnde GPU-Hardware-Beschleunigung, geringer verfügbarer Arbeitsspeicher und die emulierten Anwendungsumgebung von x86-Applikationen vernünftig aufzufangen. Selbst bei den 1-GByte-RAM-Modellen Raspberry Pi 3 B und 3B+ fällt die Auslastung des Arbeitsspeichers nie unter 75%, selbst, wenn gerade keine weiteren Anwendungen ausgeführt werden. Sogar das Betrachten von Online-Videos verkommt hier zu einer quälend langsamen Diashow.

Als eine reine Machbarkeitsstudie ist der Vorgang, Windows 10 auf einem Raspberry Pi zu installieren, allerdings durchaus interessant. Vielleicht könnte das Betriebssystem in der weiteren Zukunft des Einplatinenrechners einmal eine ernsthafte Alternative werden. Zwei wichtige Grundvoraussetzungen müssten hierfür allerdings bestehen: Zum einen müsste Microsoft die ARM-Version von Windows 10 um Faktoren wie etwa die OpenGL-Unterstützung für Grafikbeschleunigung weiter optimieren. Und zum anderen bräuchte ein künftiges Raspberry Pi 4 deutlich mehr als 1 GByte RAM, um ein Windows-10-OS wirklich sinnvoll nutzen zu können.

Dieser Beitrag stammt von unserem Schwesterportal Elektronikpraxis.

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