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Experten mahnen IPv6-Roll-out an Schneller als befürchtet – Die IP-Adressen gehen aus!

Redakteur: Ulrike Ostler

Der Pool mit IPv4-Adressen trocknet aus. In zwei oder drei Jahren schon soll der Adressraum ausgeschöpft sein, sagt der Chef der amerikanischen Vergabestelle Arin (American Registry for Internet Numbers) John Curran. Das zwingt Unternehmen möglicherweise, schneller auf IPv6 umzusteigen als sie wollten.

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Die IPv4-Adressen gehen aus, bestätigt auch Ruud Louwersheimer, Principal Consultant bei Global Professional Services von BT Germany. Zuerst werde vermutlich die asiatisch-pazifische Region betroffen sein, dann Europa und zum Schluss Amerika.

Nach Arin-Angaben sind die IPv4-Adressen schon zu 81 Prozent verbraucht. Der Rest aber schwindet immer schneller. Dafür sorgen die immer noch wachsende Zahl von Usern und die neuartigen Geräte, etwa Netzwerkkameras mit eigner IP-Adresse und Smartphones, die ein E-Mail-Account haben. Arin gehört zu den fünf Einrichtungen, die jeweils regional für Adressverteilung und -verwaltung zuständig sind.

Einige Folgen der zunehmenden Knappheit lassen sich schon jetzt beobachten: So seien die Routing-Tabellen in den Routern derartig aufwändig geworden, dass die derzeitige Performance noch unter der von 1999 liege, zur Hochzeit des Dotcom-Hype, erläutert Louwersheimer.

Routing-Tabellen bestimmen, welchen Weg ein Datenpaket nimmt. Sie enthalten alle bekannten Netzwerkadressen, Verbindungsarten in andere Netzwerke, Weginformationen zu anderen Routern und die Verbindungskosten. Die Tabellen werden entweder manuell gefüllt. Dann entstehen statische Routen. Im Austausch mit nahe gelegenen Routern entstehen dynamische Tabellen, die an die Netzstruktur angepasst werden, zum Beispiel beim Ausfall von Routern und Übertragungsstrecken.

Es könnte aber auch passieren, dass sich jemand ins Internet einwählt, die Verbindung aber nicht zustande kommt, weil der Provider keine Adresse mehr frei hat.

Lebensverlängernde Maßnahmen

Laut Louwersheimer gibt es eine Reihe von Tricks, die die Lebenszeit von IPv4 verlängern. Dazu gehört etwa Network Adress Translation (NAT), auch Network Address Port Translation (NAPT) genannt. Das Verfahren zur Bildung von Subnetzen wird eingesetzt, um mehrere private IP-Adressen und zugeordnete Portnummern zu maskieren (masquerading). Sie brauchen dann nur eine öffentliche IP-Adresse.

Das Vorgehen verursacht jedoch einige Probleme. Das größte dürfte sein, dass so keine saubere Zuordnung mehr möglich ist. Durch das Umschreiben von Protokoll-Header ist die Verschlüsselung auf Netz- und Transportebene zumindest schwierig.

Komplikationen ruft das NAT-Verfahren bei Applikationen wie VoIP hervor, die Out-of-Band-Signalisierung und Rückkanäle verwenden. Darüber hinaus weichen NAT-Gateways die strenge Schichtenzuordnung auf, die das OSI-Modell vorsieht. Damit erschweren sie den Betrieb komplexer Systeme, bzw. können diese gar verhindern.

Auch nur einen Ausweg auf Zeit bieten dynamische Adresszuweisungen durch die Provider. „Irgendwo hört es einfach auf mit der Hexerei“, kommentiert Louwersheimer.

Aus die Maus

Den Ausweg aus dem Dilemma bietet der Nachfolgestandard IPv6. „Eigentlich gibt es diesen ja schon seit gut 20 Jahren“, so der BT-Experte. Denn während es 4,3 Milliarden mögliche IPv4-IP-Adressen gibt, die auf einem 32-bit-System basieren, sieht IPv6 einen 128-bit-Adressraum vor. Das bedeutet, dass es ungleich mehr Adressen gibt, nämlich genau:

349.282.366.920.938.473.463.374.607.431.768.211.456

Der IT-Newsdienst „Datamonitor“ zitiert Arin-Chef Curran mit den Worten: „Wir könnten jedes Sandkorn mit einer IP-Adresse ausstatten und hätten immer noch Adressen übrig.“ Louwersheimer kommentiert lapidar: „So etwas hat man auch schon bei IPv4 gesagt.“

Übersetzungsprobleme

Übereinstimmend merken jedoch beide an, dass nun bald die Überführung in IPv6-Adressen starten sollte. Das Problem dabei: IPv6-Adressen haben eine hexadezimale Notation. Das sieht wie folgt aus:

  • 2001:fecd:ba:23:cd1f:dcb1:1010:9234:4088

IPv4 wird dagegen im Dezimalsystem angegeben und sieht so aus:

  • 127.0.0.1.

Somit können die verschiedenen Adressräume nicht ohne eine Übersetzung miteinander verbunden werden. Das aber funktioniert in den Systemen verschiedener Hersteller aber unterschiedlich.

So gab es vor einiger Zeit Berichte über IPv6-Mängel im Microsoft-Betriebssystem Windows Vista. Doch bei genauerem Hinsehen handelte es sich um Übersetzungs-Probleme. Da Vista IPv6-Adressen bevorzugt, kapselt es bei Bedarf IPv4-Adressen. Dieses Kapselungsverfahren ist jedoch Microsoft-spezifisch. Andere Hersteller gehen anders vor, so dass derzeit lediglich Microsoft-Plattformen miteinander kommunizieren können.

Nichtsdestotrotz bleibt den Unternehmen, egal ob groß oder klein, nichts anderes übrig, als sich der Umstellung auf IPv6 zu widmen. Das heißt zwar laut Louwersheimer nicht, dass alles sofort auf den neuen Adressraum umgemodelt werden muss – er geht sogar davon aus, dass es noch in 15 Jahren IPv4-Adressen geben wird – doch die Empfehlung lautet, sich damit zu befassen, bevor tatsächlich die Adressknappheit um sich greift.

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