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Standardisierte Netzarchitekturen für einen beschleunigten Netzausbau O-RAN: Offenheit und Flexibilität im Mobilfunknetz

Von Klaus Kliemank

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Konventionelle Funkzugangsnetze (RAN) sind geschlossene und herstellergebundene Systeme. Das soll sich künftig ändern: O-RAN-Netzarchitekturen mit standardisierten, offenen Schnittstellen versprechen Interoperabilität von Geräten verschiedener Hersteller und mehr Flexibilität im Netzbetrieb. Unterstützung bei der Implementierung und Überwachung ist jedoch nötig.

Durch eine softwarebasierte Einführung neuer Mobilfunkstandards auf Basis von Open RAN könnte insbesondere die flächendeckende Bereitstellung von 5G deutlich beschleunigt werden.
Durch eine softwarebasierte Einführung neuer Mobilfunkstandards auf Basis von Open RAN könnte insbesondere die flächendeckende Bereitstellung von 5G deutlich beschleunigt werden.
(Bild: © Alexander Finger - stock.adobe.com)

In den letzten Jahren hat der Ausbau des Mobilfunknetzes in Deutschland einige Erfolge verzeichnet. Doch die Anbindung ländlicher Regionen kommt vielerorts nach wie vor nur schleppend voran. Vor allem in dünn besiedelten Gebieten gibt es immer noch so genannte „weiße Flecken“ mit gar keinem oder nur schlechtem Empfang. Hinzu kommen viele Regionen, wo nur ein Mobilfunknetz verfügbar ist. Den Ausbau von LTE und 5G zu beschleunigen, hat für Politik und Wirtschaft daher weiterhin hohe Priorität.

Funkzugangsnetze sind geschlossene Systeme

In der Debatte um einen schnellen Netzausbau fällt derzeit immer öfter das Stichwort „O-RAN“ (Open RAN; Open Radio Access Network) – vor allem dort, wo Wege zur Kostenreduktion bei Netzwerkkomponenten und zu mehr Flexibilität im Betrieb der Netze diskutiert werden. Worum es hier geht, lässt sich besser verstehen, wenn man zunächst einen Blick auf die Architektur traditioneller Mobilfunknetze wirft:

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Das Funkzugangsnetz (engl. Radio Access Network, kurz: RAN) – also das Bindeglied zwischen Kernnetz und Endgerät – ist in der Regel ein geschlossenes System, in dem Soft- und Hardware meist nur dann kompatibel sind, wenn sie von ein und demselben Hersteller stammen. Die in den Funkeinheiten verwendeten Prozessoren arbeiten dadurch zwar sehr effizient und energiearm. Da in der Regel aber proprietäre Schnittstellen und Funktionen eingesetzt werden, herrscht eine große Abhängigkeit der Netzbetreiber von bestimmten Systemen und Herstellern.

Problematisch ist diese geschlossene Architektur insbesondere insofern, als global nur wenige Key-Player auf dem Markt vertreten sind: So teilten sich im Jahr 2020 lediglich drei große Anbieter rund 80 Prozent des Weltmarktes für fortschrittliche 4G- und 5G-RAN-Produkte. Aufgrund des begrenzten Wettbewerbs stehen Anbieter daher kaum unter Innovationsdruck. Zudem wirkt sich die Abhängigkeit auf Geschwindigkeit und Umfang von Netzausbauprojekten aus, und es herrscht kaum Flexibilität bei der Anpassung von Roadmaps an Marktbedürfnisse.

Kommt es beim Anbieter etwa zu Lieferengpässen, gerät zwangsläufig auch der Netzausbau ins Stocken. Darüber hinaus erfordert die bisherige RAN-Architektur einen umfassenden Austausch oder Neuaufbau von Hardware, um einen neuen Mobilfunkstandard einzuführen – für einen zügigen 5G-Ausbau derzeit eines der größten Hindernisse.

Offene Netzarchitektur: Mehr Unabhängigkeit und niedrigere Kosten

Diese Situation soll O-RAN künftig ändern. Das Kürzel steht für Open Radio Access Network und bezeichnet das Konzept eines offenen Funkzugangsnetzes mit interoperablen und standardisierten RAN-Elementen, das von der O-RAN Alliance – einem internationalen Konsortium aus Netzbetreibern, Anbietern und Forschungseinrichtungen – ins Leben gerufen wurde. In einem solchen offenen Funkzugangsnetz sind die RAN-Funktionen disaggregiert und die einzelnen Elemente – Radio Unit (RU), Distributed Unit (DU) und Centralised Unit (CU) – über standardisierte, offene Schnittstellen und Protokolle miteinander verbunden.

Auf dieser Basis können weitere Konzepte wie etwa vRAN eingeführt werden, welches die verschiedenen Netzwerkfunktionen des RANs virtualisiert und von der zugrundeliegenden Hardware entkoppelt. Gegenüber geschlossenen und proprietären Funkzugangsnetzen gewährleistet O-RAN somit die Interoperabilität von Hard- und Software unterschiedlicher Hersteller.

Eine solche Netzarchitektur würde also nicht nur die Unabhängigkeit der Betreiber von einzelnen Anbietern stärken, sondern auch neuen Herstellern den Markteintritt erleichtern. Vom belebten Wettbewerb wiederum versprechen sich Netzbetreiber neben einer größeren Komponentenauswahl auch einen erheblichen Kostenvorteil. Zudem gilt der Konkurrenzdruck als unverzichtbarer Motor für technologische Innovationen. Und nicht zuletzt wäre auch das aufwendige Umrüsten von Basisstationen bei der Einführung neuer Mobilfunkstandards künftig nicht mehr notwendig: Da für die Hardware Standardkomponenten eingesetzt werden können, benötigen Upgrades lediglich eine Software-Aktualisierung. Neue Dienste und Lösungen ließen sich auf diese Weise deutlich schneller einführen.

Interoperabilitäts- und Leistungstests sind unverzichtbar

Doch die offene Struktur bringt nicht nur Vorteile, sondern auch einige erhebliche Herausforderungen mit sich. Da Hardware- und Softwarekomponenten in einem O-RAN von verschiedenen Anbietern stammen, ist die Komplexität eines solchen Netzwerks gegenüber geschlossenen Systemen deutlich höher. Implementierung und Betrieb des O-RANs stellen daher ganz neue Anforderungen an Hersteller und Betreiber.

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So ist es in einer Multi-Vendor-Umgebung beispielsweise deutlich schwieriger, die Ursache für Leistungsengpässe einzugrenzen und zu beheben. Vor Inbetriebnahme des Netzes muss daher zwingend sichergestellt werden, dass alle Technologien reibungslos miteinander arbeiten. Dabei steht nicht nur die Interoperabilität von Komponenten verschiedener Hersteller im Fokus, sondern auch die störungsfreie Bereitstellung bestehender Mobilfunkstandards parallel zu den neuen Diensten. An umfassenden Tests zur Validierung von Funktionalität, Leistung und Interoperabilität herstellerunabhängiger Netzwerkkomponenten führt daher kein Weg vorbei.

Um die Herausforderungen einer offenen Architektur zu bewältigen, benötigt es leistungsfähige Mess- und Prüftechnik für die Laborvalidierung, die Inbetriebnahme und das kontinuierliche Monitoring des Netzwerks. Hier empfiehlt es sich mit einem Netzwerkspezialisten zu arbeiten, der wie Viavi Solutions über langjährige Erfahrung in der Prüfung komplexer Funknetzwerke verfügt und hochleistungsfähige Komplettlösungen für Netzwerkmessungen anbieten kann. Der Messtechnikspezialist unterstützt bereits seit mehreren Jahren die Entwicklung von O-RAN-konformen Prüfverfahren und stellt Betreibern und Herstellern zuverlässige Lösungen für einen lückenlosen Testprozess über den gesamten O-RAN-Lebenszyklus hinweg zur Verfügung.

Im Anschluss an die erfolgreichen Lab-Tests wird das O-RAN in Begleitung von engmaschigen Prüfprozessen ausgerollt und in Betrieb genommen. Sind die reibungslose Bereitstellung und der störungsfreie Betrieb des O-RANs durch engmaschige Test- und Überwachungsprozesse sichergestellt, bietet die offene Netzwerkarchitektur enormes Potenzial: Geringere Investitionskosten und hohe Flexibilität ebnen den Weg für einen schnellen und wirtschaftlichen Netzausbau.

Klaus Kliemank.
Klaus Kliemank.
(Bild: © Viavi Solutions)

Durch die softwarebasierte Einführung neuer Mobilfunkstandards könnte insbesondere die flächendeckende Bereitstellung von 5G deutlich beschleunigt werden. Denn was bisher durch den Hardwareaustausch meist bis zu mehreren Wochen dauerte, lässt sich mit O-RAN und virtualisierten Netzwerkfunktionen nun innerhalb weniger Tage realisieren. Es steht also außer Frage, dass die offene Netzarchitektur sich langfristig durchsetzen wird. Und mit verlässlicher Mess- und Prüftechnik kann dieser Veränderung zuversichtlich entgegengeblickt werden.

Über den Autor

Klaus Kliemank ist Sales Manager Wireless bei Viavi Solutions.

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