Environment – Social – Governance Disaggregation als Treiber für ESG-Faktoren
Wie kann der Telekommunikationssektor die Netzwerk-Disaggregation nutzen, um eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft zu schaffen? Richard Brandon, VP Strategy and Business Development bei RtBrick, untersucht, wie ein Cloud-nativer Ansatz dem Telekommunikationssektor helfen kann, ESG-Ziele zu erreichen.

Dank des Drucks von Kunden, Mitarbeitern und Aktionären nehmen Unternehmen in allen Branchen ihre ESG-Leistung (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) derzeit genau unter die Lupe, und suchen nach Möglichkeiten zur Verbesserung. Der Telekommunikationssektor stellt da keine Ausnahme dar.
Früher haben die Betreiber vor dem Kauf einer Hardware die Funktionalität eines neuen Geräts abgewogen, ob es den neuesten Standards entspricht und wie neue Sicherheitsalgorithmen oder -lücken behandelt werden. Heute müssen sie zusätzlich die Auswirkungen des gesamten Netzwerks auf die Umwelt berücksichtigen und gleichzeitig mit mehreren anderen konkurrierenden Faktoren jonglieren.
Der wichtigste davon ist die Erfüllung der scheinbar unersättlichen Nachfrage der Verbraucher nach hoher Bandbreite und geringer Latenzzeit – ohne die Kosten für die Endnutzer zu erhöhen. Auch die Integration mit neuen Technologien wie IoT und Edge Computing ist wichtig.
Wie können Telekommunikationsunternehmen also ihre ESG-Ziele erreichen, ohne bei diesen anderen Faktoren Kompromisse einzugehen? Indem sie in die Zukunft der Netzwerktechnologie investieren – in die Disaggregation. Werfen wir einen genaueren Blick auf die Details.
Was ist Netzwerk-Disaggregation?
Traditionell haben Netzbetreiber ihre Netze mit monolithischen Systemen aufgebaut, die Software und Hardware von einem Anbieter integrieren. Dies bindet sie an einen einzigen Anbieter und führt sie in einen Teufelskreis aus langsamem und teurem Hardwareaustausch.
In disaggregierten Netzen hingegen ist die Software von der Hardware getrennt. Dies ist dank des Aufkommens großvolumiger, preiswerter Netzwerk-Chipsätze möglich geworden, die als "Merchant Silicon" bekannt sind. Mit ihnen lässt sich eine neue Kategorie leistungsfähiger, kostengünstiger "Bare-Metal"-Switches bauen, die funktional herkömmlichen Routersystemen ähneln, aber deutlich billiger sind als entsprechende traditionelle Telekommunikationsgeräte. Neben dieser bahnbrechenden Hardware ist auch eine neue Generation von Netzwerksoftware entstanden. Diese Software kann Bare-Metal-Switches in die in Telekommunikationsnetzen verwendeten IP/MPLS-Switches mit hohem Funktionsumfang verwandeln.
Warum sind disaggregierte Netze besser für die Umwelt?
Der Aufstieg der disaggregierten Netze ist vergleichbar mit der Cloud-Native-Revolution, die wir im Computerbereich erlebt haben. Im Gegensatz zu ihren traditionellen Vorgängern basieren disaggregierte Netze in erster Linie auf Software, wodurch sie viel schlanker und skalierbarer sind als ihre monolithischen Vorgänger. Um die Kapazität eines disaggregierten Netzes zu erhöhen, können Betreiber beispielsweise einfach kostengünstige White Boxes zu ihren Netzen hinzufügen und neue Softwarelizenzen aktivieren, anstatt ein komplett neues System auf Chassis-Basis hinzuzufügen.
All dies bedeutet, dass disaggregierte Netze einen kleineren physischen Fußabdruck haben können als ihre traditionellen Alternativen, mit einer Infrastruktur, die deutlich weniger energieintensiv zu produzieren ist.
Zudem muss betont werden, dass Betreiber in einem disaggregierten Netz problemlos den Softwareanbieter wechseln können, ohne dass sich dies auf die Hardware auswirkt. Im Gegensatz dazu muss in traditionellen, monolithischen Netzen die vorhandene Hardware herausgenommen und zusammen mit der Software ersetzt werden. Diesen verschwenderischen Prozess erleben wir derzeit immer wieder auf der ganzen Welt, wenn die Hardware veraltet ist oder wenn Länder Huawei aus ihren Telekommunikationsnetzen verbannen (aufgrund von Spionagevorwürfen der chinesischen Regierung). Diese Situationen hätten vollständig vermieden werden können, wenn die betreffenden Netze getrennt worden wären.
Schnelles Internet ist kein Luxus, sondern ein Kernelement nachhaltiger Entwicklung
Angesichts der globalen Klimakrise ist es nicht verwunderlich, dass Umweltfaktoren häufig die Diskussionen über ESG dominieren. Telekommunikationsunternehmen sollten jedoch den sozialen Auswirkungen ihrer Tätigkeit die gleiche Aufmerksamkeit schenken – insbesondere der wachsenden "digitalen Kluft" zwischen denjenigen, die Zugang zu schnellem Internet haben, und denjenigen, die keinen haben.
Ein Internetzugang ist kein Luxus, sondern ein moralisches Menschenrecht. Jeder sollte auf dieses globale Medium zugreifen können. Trotzdem müssen ländliche Gemeinden in Europa und den USA oft mit einer schlechten oder gar nicht vorhandenen Verbindung auskommen, was eine enorme Benachteiligung darstellt.
Städtische Regionen bleiben überraschenderweise von schlechter Internetverbindung nicht gänzlich verschont. So beklagen 13 Prozent der städtischen Erwachsenen in den USA schlechte Verbindungen. Das Beunruhigende daran: nach einer Studie der National Digital Inclusion Alliance weisen die 20 am schlechtesten angebundenen Städte in den USA gleichzeitig eine Armutsquote von mindestens 10 Prozent auf.
Der Grund für schlechte Internetverbindungen in städtischen Gebieten ist oft die mangelnde Kapazität zwischen dem Zugangsnetz und den Netzen zur Bereitstellung von Inhalten. Die bestehende Infrastruktur, die oft vor Jahren installiert wurde, kann der heutigen Bedeutung des Internets in den Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheitswesen usw. einfach nicht mehr gerecht werden. Die Lösung, die Erhöhung der Breitbandkapazität, ist leichter gesagt als getan – insbesondere in herkömmlichen monolithischen Netzen.
In disaggregierten Netzen hingegen können Hard- und Software innerhalb weniger Minuten durch Zero Touch Provisioning bereitgestellt werden. Außerdem kann die Kapazität jeder einzelnen Systemkomponente aufgerüstet werden, ohne dass die bestehende Infrastruktur aufgegeben werden muss. All dies bietet Telekommunikationsunternehmen die Flexibilität, Einfachheit und Skalierbarkeit, die sie benötigen, um die digitale Kluft zu schließen und die digitale Armut in den Industrieländern zu beseitigen.
Mit Blick auf die Zukunft wird die Netzwerk-Disaggregation zweifellos eine wesentliche Rolle bei der Verbesserung der ökologischen und sozialen Auswirkungen des Telekommunikationssektors spielen. Aber wird derzeit genug getan, um ESG Priorität einzuräumen? Die Antwort lautet: Nein! Während Branchengruppen wie die Open BNG https://www.telekom.com/de/konzern/details/positionspapier-open-bng-609268 weiterhin die Entwicklung der Netzwerk-Disaggregation vorantreiben, müssen wir auch verstärkt darauf achten, wie wir unsere Umweltauswirkungen minimieren und gleichzeitig den sozialen Nutzen maximieren können. Der Handlungsbedarf war noch nie so groß wie heute.
Über den Autor
Richard Brandon ist VP of Strategy and Business Development beim Router-Software-Pionier RtBrick.
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