Factory Edge und Vehicle Edge im Fokus Edge Computing prägt die Automotive-Zukunft
Anbieter zum Thema
Edge Computing gewinnt in Form von Factory Edge und Vehicle Edge auch im Automotive-Sektor an Bedeutung. Factory Edge zielt auf Fertigungs- und Logistikprozesse ab und Vehicle Edge ist die Basis vernetzter Fahrzeuge. Wir erklären die Unterschiede genauer.

Die Zukunft der Automobilindustrie liegt in softwaregesteuerten, autonomen, vernetzten Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb und in einer Verknüpfung von Produktions- und Lieferketten. Gravierende Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette der Hersteller sind die Folge: von der Forschung und Entwicklung über den Vertrieb bis hin zu Produktion und After Sales. Schlüsselelemente für die Veränderungen sind dabei Factory Edge und Vehicle Edge.
Beim Edge Computing wird die Datenverarbeitung von zentralisierten Rechenzentren an entfernte, verteilte Standorte verlagert. Das heißt, Daten können vor der Übertragung an ein Rechenzentrum vor Ort konsolidiert und analysiert werden. Somit entfallen Herausforderungen bei den Netzwerkverbindungen hinsichtlich Bandbreite oder Latenz. Durch die Reduzierung von Übertragungsverzögerungen kann man auch Serviceausfälle vermeiden.
Edge Computing wird derzeit vor allem im Telekommunikationsbereich im 5G-Kontext massiv vorangetrieben. Service-Anbieter modernisieren ihre Netzwerke, indem sie ihre Workloads und Services aus den Kernnetzen in Rechenzentren zum Edge verschieben. Und auch der Automotive-Sektor setzt verstärkt auf Edge Computing, also auf die Bereitstellung von Rechenressourcen entfernt von zentralen Rechenzentren direkt an einem Device wie einem Roboter in der Fabrikhalle oder in einem Fahrzeug.
Edge Computing in der Fertigung und im Fahrzeug
Für einen Fahrzeughersteller gibt es zwei zentrale Edge-Szenarien: Factory Edge und Vehicle Edge.
Factory Edge ist die Grundlage für eine stärkere Vernetzung von Produktion und Logistik sowie für die Optimierung der Produktionskapazitäten und Logistikprozesse. Damit können die Automobilhersteller ihre aktuellen Initiativen optimiert umsetzen. Zum einen modernisieren sie Produktionsprozesse, um neue Modelle schnell, sicher und kosteneffizient zu fertigen und zu liefern. Zum anderen erhöhen sie derzeit den Grad der Agilität von Produktionsanlagen durch Automatisierung, Smart Manufacturing oder KI-Nutzung, um den Übergang von einer starren Massenproduktion zu einer kundenindividuellen Fertigung zu unterstützen. Dabei besteht die Notwendigkeit, umfangreiche Datenmengen schnell zu analysieren. Und diese Aufgabe fällt zu einem großen Teil direkt an der Produktionslinie mit der Vernetzung der IT mit den Anlagen oder Steuersystemen an, also an der Factory Edge. Typische Factory-Edge-Anwendungsszenarien sind Condition Monitoring, Predictive Maintenance, Data-Sharing-Services oder auch Asset Management.
Beim Thema Vehicle Edge geht es darum, dass eine Recheneinheit im Fahrzeug vorhanden ist, die entweder unabhängig oder in Verbindung mit einem fahrzeugnahen Edge Gateway, etwa am Straßenrand, arbeitet. Vehicle Edge ist von wachsender Bedeutung für die Evolution eines traditionellen Autos hin zu einem intelligenten, vernetzten Auto, das in Echtzeit Daten analysieren und Entscheidungen treffen muss. Zudem ist Vehicle Edge die Basis eines softwaredefinierten Fahrzeugs, bei dem Features dynamisch nachgeladen und freigeschaltet werden können. Prinzipiell werden stärker vernetzte Fahrzeuge künftig intelligente Knotenpunkte sein, die Teil eines viel breiteren Ökosystems sind, mit dem sie interagieren. Zum Beispiel könnte ein Auto Umweltinformationen bereitstellen oder Daten zur Optimierung der Parkplatznutzung in Städten liefern. Letztlich ist Vehicle Edge auch erforderlich für die Umsetzung innovativer Konzepte wie Car-as-a-Service, Mobility-as-a-Service oder Smart City.
Edge Computing oder auch 5G sind zwar zentrale, aber nicht die einzigen Technologien, die den Wandel in der Automobilbranche vorantreiben. Wichtige Rollen spielen auch die V2X-Kommunikation, also die Möglichkeit für die Vehicle Edge, mit anderen Fahrzeugen, straßenseitiger Infrastruktur oder Kernplattformen zu kommunizieren, oder LiDAR (Light Detection and Ranging)-Systeme für autonom fahrende Autos. Allerdings kann eine Tatsache nicht bestritten werden: Für die effiziente Nutzung dieser Technologien sind Edge Computing und 5G unverzichtbare Grundvoraussetzungen.
IoT- und Hybrid-Cloud-Infrastruktur als Basis
Prinzipiell hängt die Digitale Transformation im Automobilsektor in hohem Maße vom Internet of Things und der strategischen Nutzung von Daten ab. Die Digitalisierung erfordert dabei den Einsatz einer Vielzahl von Lösungen, Plattformen und Technologien wie Gerätesensoren, IoT-Gateways, agilen Backend-Systemen und offenen Hybrid-Cloud-Architekturen.
Vor allem das IoT wird das neue automobile Zeitalter maßgeblich bestimmen. Sensordaten sind eine Kernkomponente des IoT-Erfolgs und alle modernen Autos verfügen bereits über zahlreiche Sensoren, die in der Regel ab Werk mit dem Netz des Herstellers per Mobilfunk verbunden sind. Und künftige Entwicklungen wie Connected Cars oder Autonomes Fahren sind ohne IoT undenkbar.
Auch im Bereich Factory Edge gewinnt das IoT zunehmend an Bedeutung. So arbeitet etwa die Initiative Open Manufacturing Platform (OMP) an der Entwicklung von innovativen Industrie-4.0-Lösungen und IoT-Anwendungen für die Automobil- und Fertigungsindustrie. Der von der BMW Group und Microsoft gegründeten OMP gehört seit Kurzem auch Red Hat an. Ziel der Initiative ist es, durch Open Source und offene Standards die Digitalisierung der Produktion zu forcieren, gerade im Kontext der Factory Edge und des Industrial Internet of Things (IIoT). Im Projekt sind verschiedene Arbeitsgruppen aktiv, so unter anderem auch beim Thema IoT Connectivity. Aufgabe ist hier die Erarbeitung von Konzepten für die Anbindung von IoT-Devices und Maschinen an die Cloud, um Produktionslinien zu digitalisieren und Cloud-basierte IoT-Anwendungen zu verbessern.
Wenn Autos zunehmend vernetzt und digitalisiert werden, ändern sich auch die Anforderungen an die IT. Herkömmliche IT-Architekturen bieten durch ihre Limitierungen hinsichtlich Agilität und Flexibilität, Schnelligkeit oder Skalierbarkeit keine adäquate Basis. Ein Automobilhersteller kann die Herausforderungen im Prinzip nur mit einer Hybrid-Cloud- oder Multi-Cloud-IT-Infrastruktur erfolgreich bewältigen, die die Bereitstellung von Anwendungen in kurzen Entwicklungszyklen in einer dynamisch skalierbaren Umgebung ermöglichen.
Wichtig ist, dass eine offene Hybrid-Cloud-Plattform auch umfassende Edge-Implementierungen unterstützt, das heißt, sie muss als gemeinsame horizontale Plattform fungieren, die – vom Core bis zum Edge – eine einheitliche Entwicklungs- und Betriebserfahrung bietet. Edge Computing muss damit zu einem integralen Bestandteil einer Open-Hybrid-Cloud-Strategie werden.
Edge-Implementierungen werden im Automotive-Segment künftig aus verschiedenen Gründen zur Regel werden. Vehicle Edge deckt Fahrzeug-Onboard und -Offboard ab und ist eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung des sogenannten ACES-Konzepts, das für Autonomes Fahren (Autonomous), Vernetzung (Connected), elektrische Antriebe (Electrified) und flexible Nutzung (Shared/Services) steht. Und Factory Edge bildet die Basis für innovative Industrie-4.0- und IoT-Szenarien und damit für effiziente und intelligente Geschäftsprozesse, die die Entwicklung smarter Fahrzeuge unterstützen.
Über die Autoren
Harald Ruckriegel ist Chief Technologist of Automotive and Strategic Business Development Automotive EMEA bei Red Hat. Wolfram Richter arbeitet als Manager Solution Architects Deutschland bei Red Hat.
Dieser Beitrag stammt von unserem Schwesterportal Industry of Things.
(ID:48313845)