Drahtloser Mesh-Standard „Zigbee“ dotdot Applikationslayer für das IoT soll Zigbee retten
Mit neuen Standards für die Vernetzung über kurze Strecken sinkt die Notwendigkeit, andere Protokollstrukturen zu verwenden, die nicht von den obersten Standardisierungswächtern abgesenkt sind. Zigbee will trotzdem durch Verbesserungen und Kooperationen konkurrenzfähig bleiben.
Anbieter zum Thema

„Zigbee wird von über 400 Firmen unterstützt, es gibt über 2.000 zertifizierte Geräte und 20 Zigbee-konforme Plattformen, deshalb glauben wir, dass für diese Technologie auch weiter Platz im Markt sein wird“, meint Leslie Mulder, Vorstand des technischen Steuerungskomitees für ZigBee PRO innerhalb der ZigBee Alliance und Präseident des kanadischen Unternehmens Exegin Technologies.
Allerdings ist die technologische Notwendigkeit, drahtlose Mesh-Standards wie Zigbee einzusetzen, inzwischen verschwunden. „Als wir 2002 anfingen, Zigbee Pro als drahtlose Mesh-Technologie zu entwickeln, kümmerte man sich bei den großen Standardisierungsorganisationen um solche Themen noch nicht – dort ging es vor allem um große Bandbreiten, Datenmengen und Distanzen.“
Mit Konzepten wie Smart City, Smart Home und Smart Grid änderte sich das gravierend. Deshalb begannen in den Nuller-Jahren auch die anerkannten Standardisierungsgremien damit, entsprechende Normen zu entwickeln. Der Standard 6LoWPAN, mit dem IPv6-Pakete so verkürzt werden können, dass man sie auch über Netze gemäß 802.15.4 versenden kann, die unermessliche Zahl in IPv6 zur Verfügung stehender Geräteadressen, und das von der IEEE entwickelte Protokoll RFC 6650 RPL für den Transport von IPv6-Daten über verlustreiche Netze, die nur wenig Energie nutzen dürfen, bieten voraussichtlich in Zukunft das Fundament derartiger Anwendungen.
Smart Meter als Triebfeder
Zigbee begann 2008 mit der Entwicklung eines eigenen IP-Stacks, vorwiegend, um den Bedarf amerikanischer Energieversorger nach Zugriffsmethoden auf die Smart Meter im zukünftigen intelligenten Stromnetz zu befriedigen. Die eigenen Bemühungen entpuppten sich allerdings als relativ langwierig und wurden sozusagen von den Entwicklungen innerhalb der Standardisierungsgremien eingeholt.
Zigbee war und ist allerdings nicht die einzige Gruppe, die sich an der Implementierung von Industriestandards für die neuen Märkte versucht. Eine weitere ist „Thread“, die sich besonders auf die Heimvernetzung fokussierte, während Zigbee unterschiedliche Profile vorhält: rf4ce ist für Heimanwender gedacht, Zigbee Pro ist so aufgesetzt, dass es sich auch für die erhöhten Ansprüche industrieller Anwender eignet.
Thread – derzeit ist Version 1.1 der Spezifikation verfügbar – setzt im Gegensatz zu Zigbee auf die direkte IPv6-Adressierung jedes auch noch so kleinen Endgeräts, was neben der Konformität zu einer weltweit gültigen Standardfamilie den unbestreitbaren Vorteil bietet, direkt und applikationsgetrieben von der obersten Steuerungsebene der in Zukunft wohl softwaredefinierten Netze auf jeden Sensor oder Aktor zugreifen zu können, ohne dass dafür eine Adressübersetzung erfolgen müsste.
Nun hat Zigbee den aktuellen Stand und seine Entwicklungspläne für die nächste Zeit vorgestellt. Das Unternehmen hat derzeit die beiden oben bereits genannten Stacks rf4ce und Zigbee Pro definiert. Zigbee Pro unterstützt dabei in der speziellen Green-Variante auch stromerzeugende Endgeräte, die beispielsweise nach Piezo- oder Peltier-Prinzipien arbeiten. Piezo-Elemente erzeugen im Verhältnis zu ihrem Bedarf sehr schnell größere Energiemengen. Peltier-Elemente erzeugen durch die Transformation von Temperaturunterschieden in Elektrizität ständig geringste Mengen Energie, die sich über längere Zeit ansammeln. Derartige Technologien sollen helfen, den Einsatz konventioneller Batterien in den teilweise winzigen Endgeräten in IoT-Netzwerken einzudämmen und deren Langlebigkeit und Autonomie zu erhöhen.
JupiterMesh und dotdot
Relativ beziehungsweise vollständig neu sind zwei weitere Stacks: JupiterMesh, gedacht für größere Anwendungen, beispielsweise in Smart Cities bis 500.000 Einwohner, verwendet als Netzwerkschicht das 2014 angekündigte Zigbee NAN (Neighbourhood Area Network), das unterschiedliche proprietäre und standardisierte Technologien einbezieht, und als physische Schicht 802.15.4G. Darüber lagern eine Schicht für steuernde Zugriffe aus dem Hintergrund (Zigbee Remote Control) und eine Anwendungsschicht.
Wie Mulder berichtete, hat sich inzwischen eine Stadt aus der kanadischen Provinz Quebec, die leider ihren Namen noch nicht veröffentlicht sehen will, dazu entschlossen, 3.000 JupiterMesh-Knoten an den Straßenlaternen der dortigen Straßenbeleuchtung anzubringen, um diese zentral steuern zu können. JupiterMesh ist laut Mulder auf die erforderliche hohe Sicherheit solcher Applikationen ausgerichtet. Allerdings ist der Stack noch nicht vollständig fertig, dies soll aber bis Ende 2017 der Fall sein. Die entsprechende Zertifizierung würde dann 2018 beginnen.
Für die Zukunft von Zigbee wichtiger als JupiterMesh dürfte wohl aber dotdot werden, der neue Name für Zigbees Cluster Library, die Zigbee als „Applikationsschicht und Sprache für das IoT“ definiert. An der Architektur und den Details von dotdot wird derzeit noch gearbeitet. dotdot setzt auf den einzelnen Netzwerkebenen unterhalb der Applikationsschicht dieselben Komponenten wie JupiterMesh ein.
Neben den Applikationen aus der Cluster Library soll dotdot eine Bibliothek mit generischen Device-Beschreibungen gehören. Die Liste der Devices gibt es schon (siehe Bild 2), aktuell entstehen generische logische Beschreibungen mit Eigenschaften und Attributen. Ist dotdot fertig, können Geräteanbieter dotdot-konforme Software entwickeln, indem sie diese Bibliothekskomponenten nutzen und individuell anpassen. „Am Ende kommt etwas heraus, das etwa einer Basisklasse in der C++-Programmierung ähnelt“, erklärt Mulder.
Breites Zertifizierungsprogramm
Für dotdot plant die Zigbee Alliance ein breites Zertifizierungsprogramm, das letztlich dafür sorgen soll, dass alle dotdot-konformen Geräte im IoT miteinander reden können. Auch Geräte, die auf den unteren Stack-Ebenen andere Technologien als Zigbee-Systeme nutzen, sollen in Zigbee-Infrastrukturen angesprochen werden können und umgekehrt. Der Ansatz scheint zu überzeugen, denn Zigbee gab im Dezember 2016 bekannt, dass die bislang zumindest im Markt der Heimvernetzung konkurrierende Thread-Gruppe nun mit Zigbee zusammenarbeitet und seine auf IPv6 basierende Netzwerkschicht im Rahmen von dotdot als mögliche „Unterlage“ für dotdot-Applikationen zertifiziert wurde.
Anbieter von Thread-fähigen Systemen können nun also auch Software für dotdot schreiben, und dotdot-fähige Zigbee-Systeme lassen sich auch im Rahmen von Thread-Implementierungen durch Software adressieren. Besitzen Anwender ein Hausnetz, in dem Zigbee- und Thread-komponenten stecken, ließen sich diese einheitlich steuern und mit einer dotdot-zertifzierten Anwendungsfamilie versorgen.
Allerdings wird es nach wie vor Vorteile für reine Zigbee-Umgebungen geben. „Einige Zigbee-Funktionen verlangen derzeit eine engere Verbindung zu Zigbee und den darunterliegenden Netzwerken“, erklärt Mulder. Dazu gehören so genannte Service Discoveries, bei denen Steuersysteme automatisiert Daten über die angeschlossenen Systeme abfragen, oder Direktverbindungen zwischen Zigbee-Devices ohne Umweg über eine übergeordnete Netzwerkkomponente aufbauen („Finding and Binding“), wenn das funktional sinnvoll ist.
Fazit
Es ist eine spannende Frage, ob sich auch auf den höheren Ebenen von IoT-Stacks und nicht nur auf der physischen und Adressschicht IEEE-Standards oder andere Ansätze durchsetzen werden. Mit dotdot und der Kooperation mit Thread hat Zigbee sowohl den Anwendern von Zigbee-Technologie als auch den Nutzern Thread-kompatibler Geräte im Heimumfeld jedenfalls eine Brücke in die Zukunft gebaut und möglicherweise auch die eigene Zukunft als wichtige Komponente eines weltweiten IoT gesichert.
(ID:44809021)