Wird Unified Communications durch All-IP zum Standard? Wir müssen reden: UC-Markt im Umbruch
All-IP zwingt Kunden dazu, sich mit ihrer Kommunikations-Struktur zu beschäftigen, und die Cloud lockt mit verführerischen Angeboten. Der Kommunikation, einem Urbedürfnis der Menschheit, werden gerade neue Wege und Möglichkeiten eröffnet. Wie Hersteller dieses Momentum in nächster Zeit für sich zu nutzen gedenken, bleibt spannend.
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Man kann nicht nicht kommunizieren. Gott sei Dank. Denn dieses berühmte Zitat von Paul Watzlawick beschreibt wunderbar, warum die Welt so erfinderisch ist, wenn es um den Austausch von Nachrichten jeglicher Art geht. Schon in der Antike begann die Menschheit zu überlegen wie man wichtige Botschaften schneller übermitteln konnte. Berühmtestes Beispiel für die Findigkeit im alten Griechenland waren deren Rauch- und Feuerzeichen. Der griechische Dichter Aischylos beschrieb in seinem Drama Agamemnon, wie die Nachricht vom Sieg der Griechen über Troja im Jahre 1184 v. Chr. mit einer Feuerzeichenkette von Troja in das 555 Kilometer entfernte Argos gelangte (Meilensteine der Kommunikations-Technologien, siehe Kasten). Und auch wenn diese Anwendung im konkreten Fall umstritten ist, bleibt doch anzunehmen, dass derartige Nachrichtenübermittlungen zu Aischylos‘ Zeiten durchaus üblich waren.
Und während die alten Griechen noch auf Hügel und Berge kletterten, um ihre Feuerpost zu überbringen, findet der Geschwindigkeitsrausch bei uns zumeist unterirdisch statt. Sogar in einer kleinen Gemeinde mitten in Bayrisch-Schwaben sind sie schon angekommen, die großen Holzrollen mit kilometerlangem, orangenem Kabel. Hier wird gerade an jeder Ecke Teer aufgerissen, gebaggert, Kabel eingezogen und alles wieder verschlossen. Ende Mai soll es soweit sein: der Glasfaseranschluss geht in Betrieb. Theoretisch könnten dann Übertragungsgeschwindigkeiten von 1.000 Mbit/s im Down- und Upstream erreicht werden.
Keiner kommt an All-IP vorbei
Wurde früher akribisch ausgewählt, welche Nachrichten es wert waren, übermittelt zu werden, ertrinken wir heute in einer Datenflut. Die Marktforscher von Statista sagen für 2017 ein weltweites E-Mail-Aufkommen von 269 Milliarden voraus. Dazu kommen Nachrichten aus Chats, Telefonanrufen und, nicht zu vergessen, persönlichen Meetings. Arbeitnehmer verbringen mehr als zwei Drittel ihrer Arbeitszeit mit Kommunikation. Das ist das Ergebnis einer von Mitel durchgeführten Umfrage. Dabei empfindet mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer E-Mails als Produktivitätskiller. Zwei Drittel sind der Meinung, dass Instant Messaging- und Chat-Werkzeuge ihre Produktivität steigern könnten. Ein Ergebnis, das natürlich dem UC-Anbieter Mitel in die Hände spielt und mit dem er für seine einheitliche Kommunikationsplattform wirbt.
Die Anbieter von Kommunikationslösungen erleben im Moment sowieso turbulente Zeiten, denn die Umstellung von ISDN auf All-IP sorgt mancherorts für Goldgräberstimmung. Das sieht auch Thomas Schmieske, Channelchef von Unify, so: „Mit dem vollständigen Umstieg auf IP-Verbindungen, den die Telekom für 2018 angekündigt hat, kommt kein Unternehmen mehr an All-IP vorbei. Unified Communications-Lösungen werden durch die Umstellung im Grunde Standard: E-Mail, Telefon, Fax, Instant Messaging, Mobility, Videokonferenzen und Web Collaboration werden dann innerhalb eines Netzwerkes in einer Oberfläche und über alle Geräte verfügbar. Unternehmen, die bisher noch mit rein ISDN-basierten Kommunikationssystemen arbeiten, müssen jetzt überlegen, wie sie die Veränderung angehen. Fachhändler sollten sie im Beratungsgespräch an die Hand nehmen und an zukunftsorientierte Technologien heranführen, die bereits jetzt All-IP ready sind.“
Morgenluft beim Thema All-IP wittern vor allem die Cloud-Anbieter. Einer davon ist Toplink aus Darmstadt. Der Chef des Full-Service-Dienstleisters Jens Weller: „Es ist höchste Zeit für alle Unternehmen, sich von ihrer ISDN-Telefonanlage zu lösen und auf IP-Telefonie umzusteigen“. Dabei sollten die Firmen die Umstellung nutzen, um auf cloudbasierte Lösungen umzustellen, statt eine eigene Internet-Telefonlösung zu implementieren. Der Anbieter spricht von einer Kostensenkung für Telefonie um bis zu 60 Prozent bei einem Cloud-Einsatz. Laut einer Umfrage sprechen aber auch noch durchaus andere Fakten für die Wolke. So sehen mittelständische Unternehmen unter anderem
- Funktionalität an allen Standorten
- hohe Flexibilität
- Integration mit Video- und Desktop-Sharing sowie
- einfache Installation
als wichtige Pluspunkte an. Thomas Muschalla von Nfon sieht das ähnlich: „Ein wesentliches Merkmal zur Differenzierung ist unsere Fähigkeit, mit unserer Cloud-Lösung alle Unternehmensgrößen über alle Branchen hinweg bedienen zu können.“ Er fügt als weiteres wichtiges Nfon-Differenzierungsmerkmal auch noch „internationale Expertise“ hinzu. Für Durchschlagskraft sorgen ebenfalls Kooperationen mit Carriern wie der Deutschen Telekom, Telefónica und T-Systems.
Was bei der IT-Security schon lange ein Markenzeichen ist, lässt sich im UC-Umfeld ebenso gut verkaufen. Muschalla: „Eine unserer Säulen ist das Qualitätsmerkmal ,Made in Germany‘. Dieses Siegel identifizieren wir ganz klar als Trend, mit der Integration unseres vertikalen Lösungsportfolios und der Nfon-Telefonanlage aus der Cloud.“
Lösungen zum Mieten
Auf Rundum-Sorglos-Lösungen für Unternehmen, die ihre Infrastruktur gerade erst aufbauen und sich nicht um TK- und IT-Lösungen kümmern möchten, setzt das Hamburger Systemhaus IP Dynamics. Auf der Webseite www.ipdnow.de gibt es einen Konfigurator, mit dem man sich seine Wunsch-IT zusammenstellen kann. Man nehme einen Telefon- und Internetvertrag, füge dann eine Telefonanlage, E-Mail-Software und eine Chat-Lösung hinzu, reichere das Ganze mit einem Cloud-Speicher, ERP und CRM an und gebe noch das ein oder andere Smartphone und Tablet hinzu. Fertig ist die Büroausstattung to go. Das Light-Paket gibt es beispielsweise für 16 Euro pro Arbeitsplatz. Für Gründer eine echte Alternative, fanden zum Beispiel Heiko Butz und Daniel Duarte, Gründer des Kakao-Wachmacher-Shops Koawach: „Was uns gefiel, war, dass wir uns keine großen Gedanken um Notebooks, Software, Updates und den ganzen Kram machen mussten. Wir wollten ja Kakao verkaufen.“
Wegbereiter der Branche
Selbst traditionelle TK-Anbieter wie Avaya springen auf den Wolken-Express auf. Die Amerikaner bieten ihren Partnern eine Mittelstands-Cloud an. Deren Vorteil: Die Migration kann auf das Tempo des Kunden abgestimmt werden. Möglich machen das verschiedene Bereitstellungsoptionen – On-Premises, hybrid oder vollständig gehostet –, wobei Endkunden den Wechsel in die Cloud in ihrem eigenen Tempo gestalten können“, heißt es bei Avaya. In Deutschland soll es die Lösung „Powered by Avaya IP Office“ ab Juli geben.
Mitel ist da schon weiter. Im März gab das kanadische Unternehmen bekannt, die Zahl von drei Millionen Cloud-Nutzern überschritten zu haben. „Weltweit wechseln Unternehmen zur Cloud-Kommunikation, um Mitarbeitern eine nahtlose Zusammenarbeit zu ermöglichen, den Kundenservice zu erhöhen und das IT-Management zu vereinfachen“, sagt Jon Brinton, President der Mitel Cloud Division. Als wichtiges Argument für Partner führt er Mitels Investitionsfreude an.
Der Dortmunder Anbieter Swyx setzt ebenfalls auf passgenaue Lösungen – von On-Premises über Private und Hybrid Clouds bis zur Public Cloud. So konnten die Top 25 Partner des Anbieters im vergangenen Jahr ihren Umsatz um durchschnittlich 26 Prozent steigern. Auch vor den„Großen“ der Branche fürchtet Swyx sich nicht. Das macht Vorstandsvorsitzender Dr. Ralf Ebbinghaus deutlich: „Microsoft ist für uns toll. Die sagen: Software und Integration sind wichtig – und verstärken so unsere Botschaft durch ihre Marketing-Maschinerie. Für uns, die wir unser Geschäft vor allem im Mittelstand machen, ist das prima. Wir setzen ohnehin auf intelligente Verknüpfungsmöglichkeiten: Durch die Integration unserer Lösung in Skype for Business können Anwender Swyx direkt aus dem Skype-Client heraus nutzen. So ermöglichen wir es, Skype for Business mit den umfangreichen Telefoniefunktionen unserer Lösung zu ergänzen.“
Hierin könnte der Schlüssel für erfolgreiche Geschäfte liegen. Denn für eine bekömmliche Mahlzeit braucht es nicht unendlich viele, sondern fein abgestimmte Zutaten. Dies wissen auch die Kakaoportal-Betreiber, und darum dient deren Werbeslogan hier als Schlusswort: Mach Dich wach.
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