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Geschichte eines Betriebssystems Windows-Historie, Teil 4: Die sechste Generation
Über die Jahre etabliert sich Windows XP als beliebtes Betriebssystem. Die Entwicklung des folgenden 6. Kernels verläuft dagegen äußerst wechselhaft. Was bedeutet das für Windows 10? Letzter Teil der Windows-Retrospektive.

Auch wenn Heimanwender und Firmen dem ursprünglichen Release von Windows XP etwas verhalten gegenüber standen, so konnte sich das Betriebssystem doch schnell fest im Markt etablieren und fand auch breite Anwendung als Embedded OS. Die Marktführerschaft sollte XP noch bis August 2012 behalten; der Nachfolger, Vista, erreichte zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise die Popularität seines Vorgängers. Was war geschehen?
Windows Vista: Holprige Evolution
Die Volumenlizenz für Windows Vista war ab November 2006 erhältlich, ab Januar 2007 stand das Betriebssystem auch im Einzelhandel. Am Erscheinungstermin war das neue System, das letztlich den Namen „Vista“ erhielt, in 5 verschiedenen Verkaufsfassungen erhältlich: Für Heimanwender existierten eine „Home Basic“ und eine „Home Premium“-Fassung, Firmenkunden hatten die Wahl zwischen „Vista Business“ und „Vista Enterprise“, und „Vista Ultimate“ bot für alle Kunden das teuerste, aber auch umfangreichste OS-Paket. All diese Varianten erschienen, anders als noch bei Windows XP, von Beginn an in 32Bit- und 64Bit-Ausgaben. Zudem gab es noch eine stark abgespeckte Version namens „Vista Starter“, die ausschließlich als OEM-Ausgabe für Netbooks vertrieben wurde.
Wesentlich wichtiger, wenn auch nicht unmittelbar sichtbar, waren die neu hinzugekommenen Sicherheitsfeatures. Um die Angreifbarkeit des Systems zu verringern führte Microsoft eine erweiterte Benutzerkontensteuerung ein, die sich deutlich feiner justieren ließ als bisher. Standardmäßig war ein Arbeiten mit nur eingeschränkten Nutzerrechten vorgesehen, jedoch konnte man nun – etwa für die Installation von Software – vorrübergehend Administratorrechte annehmen um eine bestimmte Sache zu erledigen, und anschließend wieder mit eingeschränkten Rechten weiterarbeiten. Dies adressierte ein Problem bei vielen XP-Rechnern, an denen Anwender gewohnheitsmäßig mit uneingeschränkten Administratorrechten arbeiteten, was das System attraktiv für Hacker und Angriffe über das Internet macht. Um das Vista-Betriebssystem zusätzlich gegen Bedrohungen aus dem Internet abzuschirmen, führte Microsoft in dieser Version den Windows Defender ein, ein Echtzeit-Überwachungssystem zur Abwehr von Spyware-Tools und Trojanern. Mit der digitalen Treibersignatur sollte sichergestellt werden, dass nur von Microsoft abgesegnete Hardware und Treiber am System verwendet werden, um optimale Performance und minimales Risiko durch Hackerangriffe über diese Kanäle sicherzustellen.
Ansonsten erhielt das Betriebssystem zahlreiche Erweiterungen und Aktualisierungen von Systembestandteilen. Der Leistungsmonitor wurde ausgebaut, die meisten Windows-Bestandteile wie DirectX, Media Center und Systemwiederherstellung wurden komplett überholt und ausgebaut. Mit dem Disk-Manager ließen sich nun auch unter Windows Partitionen relativ einfach vergrößern oder verkleinern. Zudem bekam das Betriebssystem, das von Beginn an in 32- und 64-Bit-Versionen erhältlich war (die 64-Bit-Fassungen von XP erschienen erst einige Jahre nach dem ursprünglichen Release), eine Option zur Sprachsteuerung spendiert. Deren Popularität hielt sich allerdings in Grenzen, zumal die Funktion noch kurz vor Release durch einige unangenehme Glitches auffiel.
Auch wenn sich Windows Vista in den ersten Monaten besser verkaufte als seinerzeit Windows XP, geriet das Betriebssystem in der öffentlichen Meinung zum Flop. Schon kurz nach Erscheinen merkten einige Fachmedien an, dass das Betriebssystem langsamer und schwerfälliger wirkte als sein Vorgänger. Schuld daran war wohl die Art und Weise, in der Microsoft die Entwicklung des OS betrieben hatte: Um möglichst viele Features schnell in das System integrieren zu können, arbeiteten mehrere Programmierteams, mehr oder weniger losgelöst von anderen, an einzelnen Komponenten und fügten diese nach Fertigstellung wieder in die jeweiligen Builds ein. Das führte dazu, dass einzelne Bauteile oft nicht gut zusammenarbeiteten, was in der Folge zu Performance- und Stabilitätsproblemen führte.
Im Laufe der Zeit, spätestens mit dem zweiten Service Pack, bekam Microsoft die Performance-Probleme des Systems zwar in den Griff. Die meisten Nutzer und Firmen hielten allerdings weiterhin an XP fest: Die Umstiegshürde war zu groß, die Probleme des Systems wurden von vielen als hinderlich wahrgenommen. Einige Fachmagazine wie „PC World“ oder „InfoWorld“ zählten das OS zu den „größten Tech-Enttäuschungen des Jahres“. Selbst Partner und OEM-Hersteller wie Acer bezeichneten das Betriebssystem von Microsoft als eine „Enttäuschung“. Für die Entwicklung des Nachfolgers nahm sich Microsoft die Kritikpunkte zu Herzen.
Windows 7: Dominanter Marktführer
Mit dem nächsten Nachfolger ließ sich Microsoft deutlich weniger Zeit: Bereits zwei Jahre nach Vista erschien Windows 7 auf dem Markt. Anders als die Namensgebung vermuten lässt handelte es sich diesmal aber nicht um eine komplett neue Kernel-Version, sondern „nur“ um den aktualisierten Vista-Kern NT 6.1. Mit der Namensgebung wollte Microsoft wohl in erster Linie von der Verwandtschaft zum wenig erfolgreichen Vorgänger ablenken. Offiziell begründete das Unternehmen den Schritt damit, mit Windows 7 die siebte Serie der Windows-Produktpalette gestartet zu haben.
Funktional ist Windows 7 mit seinem Vorgänger Vista in weiten Teilen identisch. Am auffälligsten ist noch die nochmals überarbeitete Taskleiste, auch „Superbar“ genannt, in der nun alle offenen Fenster eines Programms hinter einem gemeinsamen Symbol gruppiert sind. Außerdem wurde in dem System von Beginn an die Unterstützung von Multi-Touch-Kontrollen integriert. Im Explorer sind nun vier sogenannte „Bibliotheken“ integriert, in denen Dateien je nach Art – Bilder, Dokumente, Musik oder Videos – unabhängig vom Speicherort gesammelt zusammengefasst werden können. Auch der Media Player wurde abermals erweitert, diesmal um einen .H264-Codec zum Abspielen von HD-Videos.
Trotz der großen Verbreitung des Systems stellte Microsoft den Mainstream Support des Betriebssystems zum 13. Januar 2015 ein: Es wird keine größeren Feature- oder Service-Pack-Updates für Windows 7 mehr geben. Voraussichtlich bis zum 14. Januar 2020 sollen allerdings weiterhin noch Hotfixes und Sicherheitsupdates bereitgestellt werden.
Windows 8, 8.1 & RT: Apps, Kacheln und Tablet-Ausrichtung
Windows 7 hatte zwar bereits Multi-Touch-Funktionalität eingeführt, war jedoch kein auf Tablet-Nutzung optimiertes Betriebssystem. Um das verstärkte Wachstum in diesem PC-Marktsegment zu adressieren, entschloss sich Microsoft für die nächste Fassung von Windows daher zu einem radikalen Neudesign. Dieses war allerdings in erster Linie nur optischer Natur – im Inneren von Windows 8 schlägt weiterhin der NT6-Kernel, diesmal in der Version NT 6.2. Zudem reduzierte das Unternehmen die Zahl der angebotenen Varianten wieder: an Stelle der sechs verschiedenen Fassungen von Windows 7 traten bei Windows 8 die für Heimanwender gedachte Version „Windows 8 Core“ (im Handel nur „Windows 8“ genannt), das an die Verwendung von Domänennetzwerken gerichtete „Windows 8 Pro“ und schließlich das umfangreiche „Windows 8 Enterprise“ für große Lizenzkunden.
Windows 8 erschien weltweit am 26. Oktober 2012. Um Streitigkeiten mit EU-Kartellwächtern zu entgehen und auf alternative „N“-Fassungen wie in XP, Vista und 7 zu verzichten, ist das Windows Media Center nun nicht mehr in der Basisinstallation von Windows 8 vorhanden. In der Pro-Ausgabe kann es allerdings für einen separaten Aufpreis nachgerüstet werden. In OEM-Fassungen ist die Software allerdings meist bereits vorinstalliert.
Vollkommen neu ist dagegen der Windows-Store, der direkt als Schaltfläche in die Modern UI integriert wurde und sich stark an vorhandenen Angeboten wie dem App Store von Apple oder Google Play orientiert. Nutzer sollen hier schnell und unkompliziert Anwendungen suchen, bewerten und direkt installieren können.
Auch die Benutzerkontensteuerung wurde erneut aktualisiert. Ähnlich wie von iOS- oder Android-Systemen gewohnt besteht nun die Möglichkeit, Nutzerkonten direkt mit einem Email-Konto zu verbinden. Damit lassen sich mehrere Angebote der Microsoft-Welt verknüpfen: Derselbe Account kann für Microsofts Spiele- und Konsolenplattform XBOX Live, den Windows Store, dem MSN Messenger und andere Angebote genutzt werden, was einen höheren Komfort beim Nutzen der Dienste verspricht. Zudem erhalten Nutzer mit Angabe der Email Zugriff auf Microsofts Cloud-Dienst OneDrive (vormals SkyDrive, ehe eine weitere Klagedrohung zu einer neuerlichen Namensänderung führte), in dem Bilder und Dokumente gespeichert und übers Internet mit Kontakten geteilt werden können.
„Neue“ Version 8.1
Parallel zu Windows 8 bot Microsoft erstmals auch eine Windows-Variante für ARM-Prozessoren an. Windows RT war nur in vorinstallierten Fassungen für Tablets erhältlich und ausschließlich auf Touch-Bedienung ausgelegt. Der Name leitete sich von Windows RunTime ab, was der Name für die Laufzeitumgebung der Modern-UI-Oberfläche ist. Auch wenn das OS auf dem ersten Blick Windows 8 stark ähnelte, handelte es sich bei Windows RT um ein von Grund auf neu gebautes Betriebssystem mit unterschiedlicher Architektur – mit seinem PC-Cousin hatte es nur die kachelbasierte Touch-Oberfläche gemeinsam. Der aus Windows bekannte Desktop war – außer zum Ausführen der speziellen Office-Versionen für RT – nicht vorhanden. Zudem ließen sich ausschließlich Apps aus dem Windows App Store installieren. Da es allerdings an nützlichen Anwendungen mangelte verzichteten die meisten Tablet-Hersteller darauf, Windows RT zu lizensieren, so dass es hauptsächlich in Microsofts hauseigenen Surface-RT-Tablets Verwendung fand. Da auch diese Produktreihe nicht die erhofften Verkaufszahlen erreichte, gab Microsoft am 29. Januar 2015 die Einstellung der Produktlinie bekannt, was gleichzeitig auch das Ende des RT-Betriebssystems bedeutete.
Windows 10: Windows „als Service“
Schenkt man den Worten von Microsoft-CEO Satya Nadella Glauben, wird Windows 10 „das letzte Windows“ sein. Das soll nicht heißen, dass es das Betriebssystem danach nicht mehr geben wird. Stattdessen soll Windows 10 die Basis für ein Betriebssystem sein, das fortan kontinuierlich gepflegt, aktualisiert und weiterentwickelt wird. Dazu gehören auch größer angelegte Kernel-Updates, ähnlich wie es bereits beim Upgrade von Windows 8 auf Version 8.1 der Fall war. Microsoft spricht in diesem Zusammenhang von einem „Windows as a service“. Darüber hinaus sollen alle Besitzer eines Windows der 6. Generation, also Vista, 7, 8 und 8.1, ab dem 29. Juli ein Jahr lang in der Lage sein, ihr Betriebssystem kostenlos per Download auf Windows 10 – und damit Kernel-Version NT 6.4 – zu aktualisieren. Ansonsten liegen die Kaufpreise für eine Handelsversion von Windows 10 Home bei 135 €, eine Pro-Edition kostet 280 €. Ein Preismodell für die Enterprise-Fassung ist derzeit noch nicht bekannt.
Einen konkreten Grund, warum Microsoft auf Windows 8 gleich Windows 10 folgen lässt, hat das Unternehmen nicht genannt. Ein vorgeblicher Microsoft-Entwickler gab in einem Post auf Reddit an, Tests hätten gezeigt, dass viele Treibersignaturen und Software-Codes älterer Produkte, die noch abwärtskompatibel für Windows 95 und Windows 98 entwickelt wurden, sich bei der Systemauswahl nur auf die Kurzform „Windows 9“ bezogen hätten. Der Sprung im Namen diene also, um Konflikte im Bezug auf diese alten Betriebssysteme zu vermeiden. Eine Stellungnahme zu diesem Gerücht gibt es allerdings bislang nicht.
Zu den weiteren Neuerungen zählt unter anderem der Sprachassistent „Cortana“. Die erweiterte Suchfunktion lässt sich auf Wunsch auch über Sprachbefehle nutzen. Cortana dient dabei als digitaler Assistent und kann sowohl lokale wie Internetsuchen durchführen, als auch den Nutzer bei der Bedienung bestimmter Anwendungen unterstützen. Ebenfalls neu ist die Unterstützung virtueller Desktops, ein Feature, dass Ubuntu- und MacOS-X-Nutzern schon länger vertraut sein dürfte. Ab sofort ist es damit auch unter Windows möglich, unterschiedliche Arbeitsflächen anzulegen, die individuell sortiert sowie gestaltet werden können und die sich je nach Bedarf schnell auswechseln lassen.
Mit Windows 10 schickt Microsoft den altbewährten Browser Internet Explorer in den Ruhestand – auch wenn dieser aus Kompatibilitätsgründen in einer „Legacy“-Ausgabe, Internet Explorer 11, noch vorhanden ist, wird er doch nicht mehr prominent platziert. Stattdessen führt Microsoft das neue Modell „Edge“ ein, das auf volle Konformität zu modernen Webstandards wie HTML5 und CSS3 setzt und auf Plugins wie Adobe Flash oder Silverlight verzichten will. Ebenfalls auffällig ist die schnelle Ladezeit des Systems, nur wenige Momente nach Einschalten des Rechners kann ein Anwender sich bereits anmelden und den Desktop nutzen – weitere Bestandteile des Betriebssystems werden in der Zwischenzeit im Hintergrund nachgeladen. Eine Nachrichtenzentrale, die sich in einer versteckbaren Spalte am rechten Bildschirmrand verbirgt, informiert den Nutzer zusätzlich über wichtige Updates und andere Systemnachrichten. Der Microsoft App Store wird nun auch um Desktop-Anwendungen erweitert und hält damit nicht nur die Tablet-orientierte App-Auswahl bereit.
Allerdings werden Anwender beim Umstieg auf Windows 10 auch von einigen Funktionen Abschied nehmen müssen. So verschwindet nach dem Update das Windows Media Center aus dem System, mitsamt der Eigenschaft, DVDs ohne zusätzlicher Software abspielen zu können. Nutzer von USB-Devices müssen nach dem Umstieg möglicherweise neue Gerätetreiber installieren.
Viel schwerwiegender allerdings: Nutzer, die von einer Home Edition ihres Betriebssystems auf Windows 10 aktualisieren, können künftig nicht mehr selbsttätig entscheiden, wann und in welchem Umfang sie Windows-Updates installieren möchten. Selbst Besitzern einer Professional-Fassung wird das nur im eingeschränkten Umfang möglich sein – die volle Kontrolle bleibt nur Besitzern einer vollen Enterprise-Lizenz erhalten. Für Heimanwender mit geringen Ansprüchen dürfte dies relativ bedeutungslos sein, die regelmäßige Aktualisierung dürfte hier für ein zusätzliches Maß an Sicherheit sorgen. Für Firmenkunden kann diese Änderung allerdings ein massives Problem darstellen: Wenn sich ein Update des Systemkernels nicht verhindern oder verschieben lässt, dann sind Nutzer einer speziell auf diesen Kern abgestimmten Software automatisch gezwungen, diese mit jedem Systemupdate mit zu aktualisieren. Da hierdurch vermehrt Kunden auf teurere, funktionserweiterte Enterprise-Lizenzen umsteigen dürften, sehen Branchenbeobachter in dieser Vorgehensweise eine Taktik Microsofts, selbst an den kostenlosen Upgrades doch noch zu verdienen.
Seit dem 29. Juli 2015 läuft der Rollout des Systems. Das Update soll dabei gruppenweise ausgeliefert werden. Demnach werden zunächst die geschätzt etwa fünf Millionen Teilnehmer der Beta-Phase, die eine Insider Preview installiert haben, die volle Version des Betriebssystems bekommen. Andere Nutzergruppen werden laut einer Mitteilung auf Microsofts Entwicklerblog erst im Verlauf der folgenden Tage ihr Upgrade erhalten. Diese Maßnahme ist wohl nötig, um die Server nicht durch zu viele gleichzeitige Zugriffe und den daraus resultierenden hohen Traffic zu überlasten. Ob in Zukunft noch ein weiteres bezahltes Servicemodell folgen soll, zu diesen Gerüchten schweigt Microsoft sich derzeit noch aus.
Dieser Beitrag stammt von unserer Schwesterpublikation ELEKTRONIKPRAXIS.
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