Die Gretchenfrage in der „Drosselkom“-Debatte Warum bei der Flatrate-Begrenzung um Netzneutralität gestritten wird
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Verbraucherschützer klagen, Facebook-User schimpfen, Branchenverbände argumentieren. Die Diskussion um die Flatrate-Beschränkungen der Telekom ist vielschichtig. IP-Insider formuliert die Gretchenfrage im Streit. Es geht um staatliche Infrastrukturzuschüsse und die Abgrenzung zwischen „normalem Netz“ und „Managed Services“.

Die Telekom-Flatrate wird gedrosselt. Nachdem der rosa Riese diese Marschroute ausgegeben hat, entflammte die „Drosselkom“-Debatte, die wohl so schnell kein Ende nehmen wird.
Das Kernargument der Telekom formulierte Michael Hagspihl, Geschäftsführer Marketing der Telekom Deutschland: „Immer höhere Bandbreiten lassen sich nicht mit immer niedrigeren Preisen finanzieren. Den Kunden mit sehr hohem Datenaufkommen werden wir in Zukunft mehr berechnen müssen."
In ihrer initialen Mitteilung taxiert die Telekom, dass sich nach Expertenschätzung das Datenvolumen im Netz bis 2016 vervierfachen wird. „Dann sollen 1,3 Zettabyte Daten (eine Zahl mit 21 Nullen) pro Jahr übertragen werden“, so die Flatrate-Beschränker. Deshalb müsse man die Netze kontinuierlich ausbauen. Eine flächendeckende Glasfaserinfrastruktur würde allerdings bis zu 80 Milliarden Euro kosten.
Gretchenfrage Netzneutralität
Apropos Kosten: Für den Breitband-Ausbau gab es immense staatliche Zuschüsse für benachteiligte Gemeinden. Im Bundesland Bayern beläuft sich der Förderhöchstbetrag je Gemeinde beispielsweise auf 500.000 Euro. Das Programm läuft bis Ende 2017.
Vor dem Hintergrund dieser Zuschüsse, die in der Erwartung von Flatrate-Angeboten bewilligt wurden, könne die Telekom jetzt nicht zurückrudern so Telekom-Kritiker in der laufenden Debatte.
In diesem Zusammenhang fällt häufig das Schlagwort „Netzneutralität“. So warnte beispielsweise der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) vor einer „Aushebelung der Netzneutralität durch die geplante Drosselung des Internets“. Ob die Netzneutralität in Gefahr sei, wird allerdings kontrovers diskutiert.
Letztendlich nimmt die Telekom nämlich das hauseigene Angebot „Entertain“ von der Drosselung aus. Fremde Services wie Apple iTunes, Lovefilm oder Maxdome werden beim zu Buche schlagenden Datenvolumen hingegen angerechnet. Wer in Zukunft Filme oder Serien über das Internet sehen will, surft also mitunter über gebuchte Telekom-Produkte günstiger. Auch Sprachtelefonie über den Telekom-Anschluss wird nicht bei der Volumenbegrenzung angerechnet. Beide Dienste seien im Gegensatz zu Internetdiensten „Managed Services, die in einer höheren und gesicherten Qualität produziert und vom Kunden gesondert bezahlt werden“.
Lautet das Telekom-Argument also, dass es hier nicht um Netzneutralität geht, weil Internet-TV und Internet-Telefonie nicht dem „normalen Netz“, sondern dem Segment „Managed Services“ zugerechnet werden? Zumindest ist klar, welche Frage nun zu diskutieren ist: „Lässt sich das Telekom-Vorgehen mit den Infrastruktur-Förderungen in Einklang bringen, die in letzter Konsequenz der Steuerzahler finanziert?“
Die Positionen
Im Gegensatz zum BITMi sieht der Bitkom offenbar keine Probleme: Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sagte im Morgenmagazin der ARD: „Wir sehen von neuen Tarifmodellen im Internet überhaupt keine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Solche Volumenkontigente kennen wir im Mobilfunk. Der Mobilfunk boomt.“
Das mag etwas an der Gretchenfrage vorbeiargumentiert sein. Aber auch die EU-Kommission sieht derzeit offenbar keine Notwendigkeit, gegen die geplante Beschränkung des Datenvolumens durch die Telekom einzuschreiten. Eine Wettbewerbsverzerrung sei dadurch nicht gegeben, äußerte sich die dafür zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes gegenüber Bild.
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