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Wo ist das kleine „e“? So wird die CeBIT 2018

Der Plan ist ambitioniert: Die CeBIT soll von einer B2B-IT-Messe zu einem „Business-Festival für Innovation und Digitalisierung“ entwickelt werden. Kein einfaches Unterfangen.

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Unter diesem Dach soll 2018 die IT-Branche abrocken.
Unter diesem Dach soll 2018 die IT-Branche abrocken.
(Bild: Deutsche Messe)

Eigentlich heißt es ja: „Alles neu macht der Mai“. Im Falle der CeBIT aber muss es lauten: „Alles neu macht der Juni“. Denn die Messegesellschaft rückt vom tradierten letzten Märzwochenende ab, und verlegt ab 2018 in die zweite Juniwoche. Ausschlaggebend dafür ist unter anderem der Entschluss, die IT-Business-Messe mit „inspirierenden Konferenz-Formaten, innovativen Netzwerk-Plattformen und kreativen, künstlerischen Festival-Elementen“ anzureichern. Gerade letztere sollen unter niedersächsischer Sonne im Freien stattfinden. Und die lässt sich im Juni halt häufiger über Hannover blicken als im März.

Let´s change

Seit 2001 sind die Besucherzahlen erodiert: von über 800.000 auf rund 200.000 (inklusive Schulklassen und ähnliche „businessrelevante“ Gruppen). Messesprecher Hartwig von Saß bestreitet aber, dass dies ausschlaggebend gewesen sei für die Kehrtwende: „Wir entwickeln die CeBIT perspektivisch weiter zum Business-Festival für Innovation und Digitalisierung. Wir sehen ja gerade im digitalen Umfeld, dass Event-getrieben Formate oder mit Konferenzprogrammen angereicherte Messen sehr erfolgreich sind, die auch von unseren Ausstellern gerne genutzt werden.“

Mit einem Besucherziel von 200.000 liegt die Erwartung für die erste neue CeBIT 2018 exakt auf dem Niveau der letzten alten CeBIT von 2017. Hartwig von Saß relativiert: „Das ist lediglich eine technische Planungsgrundlage. Niemand kann jetzt - ein gutes Jahr vor der neuen CeBIT - sagen, wie viele Besucher kommen werden, da es eine neue Veranstaltung zu einem neuen Termin ist. Wir wollten keine zu hohe Erwartungshaltung wecken.“

Auch dem Eindruck, die überraschende Ankündigung am dritten Messetag der diesjährigen CeBIT habe hektisch und getrieben gewirkt, widerspricht er: „Wir haben seit Spätsommer 2016 in verschiedenen Schritten an dem neuen Konzept gearbeitet. Zum Schluss haben wir alle möglichen Timing-Szenarien für die Kommunikation durchgespielt und uns bewusst für das aus unserer Sicht beste entschieden.“

Let´s meet

Wichtiger als Verfahrensfragen ist zweifellos die inhaltliche Neuorientierung. Der Reihe nach: Erster Hinweis auf das neue Format ist das verschwundene kleine „e“. Statt wie früher CeBIT schreibt sich die CeBIT jetzt CEBIT. Anders als bei Raider und Twix ändert sich aber auch sonst noch so Einiges: Denn hinter dieser Äußerlichkeit steckt ein 4-Säulen-Modell, bestehend aus den Elementen d!conomy, d!tec, d!talk und d!campus.

Wobei es sich im Falle der d!conomy dann doch wieder um ein Raider/Twix-Phänomen handelt, denn im Prinzip erinnert sie an einen Aufguss der „alten“ CeBIT: „Dieser Eindruck täuscht nicht. Auch die neue CeBIT wird viele bewährte alte Messelemente haben“, so von Saß. „Das Neue liegt in einer intelligenten Verbindung zwischen Bewährtem und Innovativem.“ Sprich, Aussteller buchen Hallenraum auf dem sie ihre Stände platzieren und auf möglichst viele professionelle Besucher hoffen: Aufmerksamkeit erhaschen, Kontakte herstellen, Leads generieren, Pipeline füllen, das alte Spiel. Auch der Planet Reseller wird erhalten bleiben: „Wir werden ihn substanziell weiterentwickeln. Fest steht auf jeden Fall, dass wir in der Plattform d!conomy eine Heimat für den Fachhandel und den IT-Channel schaffen werden.“

Einzige Änderung in der Hallenstruktur ist die mittige Platzierung von Bühnen, auf denen Diskussionen und Foren für mehr Leben sorgen sollen: „Wir schaffen so in Verbindung mit neuen Formaten, Raumkonzepten und innovativem Catering eine kommunikativere Atmosphäre.“

Let´s talk

Womit wir bereits bei dem Konferenzformat d!talk als dritter Säule wären (auf d!tec kommen wir noch, versprochen). Hier sollen sich „Querdenker, Visionäre, Experten und inspirierende Strategen aus aller Welt“ auf diversen Bühnen dem „wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Diskurs“ widmen. Jürgen Habermas wird entzückt sein. So ganz neu ist aber auch dieses Format nicht, denn im Prinzip ist es eine Verschmelzung der bisherigen CeBIT-Foren mit den bekannten Global Conferences, die in der Vergangenheit nicht die Resonanz erzeugt haben, die sich die Macher davon versprochen haben. Der wohl kritischste Faktor ist dabei die Attraktivität der Sprecher: „Ein eigenes Team arbeitet intensiv daran, innerhalb der nächste drei bis sechs Monate viele spannende Redner dafür zu gewinnen“, so von Saß. Auf rund zehn Bühnen sollen im Laufe der Messe jeweils zwischen 200 und 500 Redner auftreten. Ob sich dafür ausreichend Publikum findet, ist eine offene Frage: „Ohne hochkarätiges Konferenzprogramm geht es nicht. Weil Digitalisierung diskutiert und vermittelt werden muss, sehen wir auf Besucherseite ein erhöhtes Interesse an Konferenzformaten“, erklärt der Messesprecher.

Im Rahmen von d!tec (zweite Säule) soll ein gemeinsamer „Blick in die digitale Zukunft, auf innovative Technologien, die an der Schwelle zur Markteinführung stehen, disruptive Geschäftsmodelle und neue Wertschöpfungsnetzwerke“ geworfen werden. Letztlich ist dies ein Spielfeld für Startups, Universitäten und Forschungseinrichtungen, die auch bisher schon auf der CeBIT vertreten waren, jetzt aber wohl mehr Aufmerksamkeit erhalten. Wie genau diese innovationstragenden Gruppen in das Gesamtkonzept eingebettet werden, steht noch nicht fest.

Let´s dance

Soweit zum Business, jetzt zum Festival. Und das ist tatsächlich funkelnagelneu. Es läuft unter dem Begriff d!campus unter dem Expo-Dach, wo „Technologie auf Emotionen“ treffen soll. Der Erwartungsschwelle wird hoch angesetzt, den laut formuliertem Anspruch vereint d!campus „Digitalisierung und Kultur und schafft den Rahmen für Networking und Interaktion bis in die Abendstunden. Er wird die multikulturelle Plattform für Begegnung und Netzwerken, spricht mit dem Rahmenprogramm und der Inszenierung alle Sinne an und schafft Raum für Erlebnisse, digitale Showcases und kulturelle Inszenierung.“

Auf dem Papier sieht die Architektur der neuen CeBIT in sich schlüssig aus. Die größere Aufgabe wird es aber sein, daraus ein real existierendes Gesamtkunstwerk zu machen. Hartwig von Saß betont: „Mit der neuen CeBIT schaffen wir mehr und neue Möglichkeiten der Beteiligung von Unternehmen. Das geht weit über die Standfläche hinaus. Für den einen Aussteller ist es der Speaker Slot im d!talk-Programm, beim zweiten kann es das Sponsoring eines Burger-Stands auf der Freifläche sein, der dritte will lieber einen Musik-Act auf dem d!campus präsentieren.“ Im Vertriebsjargon heißt das üblicherweise Up-Selling und ist ein lang erprobtes Werkzeug zur Umsatzsteigerung. Es wird interessant sein zu verfolgen, wie die Aussteller dieses, natürlich mit höheren Kosten verbundene Angebot annehmen.

Die Frage, die dann in jedem Einzelfall gestellt wird ist, inwieweit das Konzept mit den Erwartungen der potenziellen Aussteller harmoniert: „Es ist bewusst flexibel gehalten, damit wir auf den Markt reagieren könnten. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten mit vielen Unternehmen darüber sprechen, wie wir ihnen bei der Erreichung ihrer Ziele helfen können. Dieses Mehr an Flexibilität ist auch für uns neu und fordert auch auf unserer Seite Veränderung.“

Let´s work

Als zentrales Problem könnte sich dabei ein latenter Konflikt zwischen „Business und Wellness“ erweisen, wenn die umfangreiche „Begleitmusik“ auf d!talk- (Vorträge) und d!campus-Bühnen (Liveacts) Besucher vom Stand-Besuch abhalten sollte. Denn der ist für die zahlenden Aussteller nach wie vor erfolgsrelevant. Wenn am Ende des Tages keine Leads mehr geschrieben werden, weil sich die CeBIT-Besucher lieber unter dem Expo-Dach einen schönen Tag machen, dann kannibalisiert sich das Konzept selbst. Validated Lead Revenue ist aus Sicht eines Ausstellers nach wie vor die Messlatte für den Messerfolg. Die wirklich wichtigen Aufgaben muss die Messegesellschaft also noch bewältigen.

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